Junge Hunde ohne Neugier

■ Verhalten-gewagt, solide-sinnlich: das Kampnagel-Nachwuchsforum

-Nachwuchsforum

Zwei kurze Stücke über die vorgebliche Unmöglichkeit erfüllten Verlangens eröffneten das Forum für den Theaternachwuchs Junge Hunde im Mai auf Kampnagel. Ute Rauwald mit ihrem Tryptichon ...von wegen Wildnis und Georg Gess mit dem Einakter Kuprijanov und Natascha von Alexander Vvedenskij benutzen verschiedenste Stilmittel, um ihr Interesse für den angeblich wütenden „Geschlechterkampf“ in Szene zu setzen.

Ute Rauwald, die das Doppelprogramm eröffnete, mutete sich gleich drei Varianten zu dem Thema zu. Begonnen wird mit rezitierenden Spielszenen um Shakespeares Othello, die nette Einfälle aufweisen, aber ansonsten das geistige Ufer der Vorlage in der Kürze der Szene nicht einmal andeuten.

Im zweiten Teil verarbeitet sie Texte von und Ideen zu Elfriede Jelinek. Ein junger Mann möchte eine Bestattung in effigie der Autorin. Daraus entspinnt sich ein absurd- athletischer Dialog mit einer Bestatterin, der in einem animalischen Lustkampf endet. Aus einem etwas hölzernen Beginn entwickelt sich hier dank der beiden Schauspieler der packendste Moment des Abends. Das Spiel bekommt Rhythmus und findet seinen Bogen.

Schließlich improvisiert das letzte Paar jene Blockaden, die die ausgesprochene Bewußtmachung der eigenen Nervosität und der Angst vor eventuell aufkommender Nähe entstehen lassen kann. Doch leider wird die beckettsche Situation zu oft auf die Spruchebene geführt und fällt so in sich zusammen.

Nach einem Spaziergang in eine andere Halle zeigt Gess seinen Gästen die absurde Geschichte eines Paares, das eigentlich zum Geschlechtsakt schreiten will, aber über das Entkleiden nicht hinaus-

1kommt. Aus Gründen der Absurdität läßt einen das dramatisierte Gedicht auch nicht erkennen, woran die Vereinigung eigentlich gescheitert ist, aber am Ende legt der Mann selbst Hand an und die Frau verwandelt sich in eine Lärche. Auf Beton-Deichen von Mario Ohno inszeniert Gess wie für die Probe-

1bühne eines Stadttheaters: verhalten gewagt und solide sinnlich.

Beide Produktionen kranken ein wenig daran, daß sie die Erwartungen, die man an „Junge Hunde“ hat, erfüllen, aber nicht überschreiten. Außerdem vermißt man die Neugier auf eigene Inhalte. Das Lamentieren über Geschlechterkampf

1sollte eigentlich eine Domäne der bürgerlich-resignierten Theaterautoren bleiben. Von Jungen Hunden möchte man eigentlich erwarten können, daß sie sich ihre eigenen Themen suchen und nicht den eingefrorenen Staatstheaterduktus vermeintlich wild imitieren. Till Briegleb