Morgens Birkenstock — am Abend Strapse

■ „Die lustigen Mutanten“ sind 5 unermüdlich einfallsreiche und produktive Videofilmer aus der Bremer Szene

Endlich kommt Christian: „Na, ihr stinkenden Warzen? Wo ist das Bier?“. Die „stinkenden Warzen“, das sind die strohblonden Geschwister Martina und Harald, und das ist Ritchie, der im Rollstuhl sitzt und grinst und sagt: „Das war für Dich wohl genau so'n Scheißtag wie für mich.“ Christian setzt sich gutgelaunt an den Holztisch in Ritchies Wohnküche, und so hocken die „Lustigen Mutanten“, auch bekannt unter dem Geheimnamen „AKAS e.V“ zusammen wie so oft, wenn sie wieder eines ihrer Videofilmprojekte besprechen. Die Zigaretten rauchen, auch Kaffee gibt's genug, ein Wortspiel jagt das andere, die beinah anachronistisch anmutende zärtlich-rauhbeinige Freundschaft der vier kann einen umhauen.

Neben den Fehrfeld-Videofilmern mit ihrer Hafenpiratenserie gehört „Arkas e.V.“ zur witzigsten, klügsten und sorgfältigsten Videogruppe in der Bremer Szene. Ihr kleines, selbsterarbeitetes Studio befindet sich im behindertengerechten „Quasimodo“-Haus am Ostertorsteinweg. Dort entstand vor über einem Jahr — unter ständigen Klagen über Lärmbelästigung von Ritchies Nachbar Zank — das zu lokalem Ruhm gelangte Video „Könneke“, ein Episodenepos mit dem kleinen Stoffschweinchen Könneke, welches ein trauriges Ende fand, demnächst aber als „Könneke II. Die Rückkehr“ wieder auferstehen wird.

Schon in „Könneke“ zeigt sich die spielerische Stärke der Videogruppe, die Spielfilmszenen mit Comuterexperimenten mixt und Schriftzüge im Rhythmus wilder Musik tanzen läßt. Eine Kunst, die sie von Produktion zu Produktion verfeinert hat, bis hin zur Perfektion des Sprach- Musikfilms „Birkenstock und Strapse“. Der verbildlicht einen Gemeinschafts-Schlager: „Am Morgen Birkenstock, am Abend Strapse / sie trug Minirock, er fuhr Taxe / Er kam zum Faltenrock, sie in die Klapse.“

Harald ist Behindertenhelfer und war früher Ritchies Zivi, Martina arbeitet auch für Behinderte und macht Musik. Ritchie studiert im 18. Semester Psychologie, und Christian hat eine auslaufende Stelle im Kulturzentrum Schlachthof. „Damals“, sagt Ritchie, „als wir Christian in unserer Stammkneipe Die Schule aufgegabelt haben, da war er noch ein Wrack, er wollte Dichter werden.“ — Heute spielen alle, samt Reinhart, der einen Film über lebendige Gummihandschuh dreht, in der Band „Siechenheim“.

Die übersprudelnde Lebendigkeit der „Lustigen Mutanten“ und ihr ungebrochener Einfallsreichtum sind bis jetzt ohne öffentliche Förderungen ausgekommen („Harald und Martina arbeiten ja...“), auch ihre kritisch-zynische Dokumentation über den Drogenkrieg im Viertel „Der weiße Westen“. Seit neuestem suchen sie einen festen Veranstaltungsraum („um unser Sendungsbewußtsein mit Festen zu finanzieren“) und ziehen auch den Antragswust der Bremischen Filmförderung in Betracht. — Möge ihnen die Kulturbehörde für die Raumsuche gnädig sein: Nachbar Zank nämlich läßt sie inzwischen täglich um zehn abends zur Ruhe mahnen, per Postauftragsdienst. Cornelia Kurth