Gewalt und zunehmende Hysterie in Südafrika

■ Professioneller Mord an Polizisten in Soweto / „Kill the Boer, Kill the Farmer“

Johannesburg (taz) – In einem professionell vorbereiteten Hinterhalt sind gestern früh vier südafrikanische Polizisten in Soweto bei Johannesburg getötet worden, fünf wurden verletzt. Die Polizisten befanden sich auf dem Heimweg von der Nachtschicht. Die Attentäter beschossen das Fahrzeug, in dem insgesamt 23 Beamte saßen, in dem Stadtteil Dobsonville von zwei Seiten mit AK-47-Sturmgewehren. Trotz einer massiven Fahndung mit Hubschraubern und einem riesigen Polizeiaufgebot entkamen die Täter.

Gegenüber einer Presseagentur übernahm „Apla“, der bewaffnete Arm des linksextremen „Pan Africanist Congress“ (PAC), die Verantwortung. Aus Polizeikreisen verlautete, sie würden den Bekenneranruf für echt halten. Das Attentat steigert die Furcht vor einer systematischen Terrorkampagne: Die Täter versteckten sich nicht nur nach allen Regeln der Militärkunst; sie zerschossen zuerst auch die Vorderreifen des Mannschaftswagens, um die Flucht zu verhindern. Mehrere Polizisten erwiderten das Feuer aus dem Fahrzeug. Die Behörden wissen aber nicht, ob einer der Täter verletzt wurde.

Polizeikreise sind überzeugt, daß Südafrika eine systematische Terrorwelle erlebt. Ebenfalls gestern morgen wurde in der Stadt Alberton ein Weißer vor den Augen seiner Frau und seiner Tochter erstochen. Die Täter sangen „Kill the Boer, Kill the Farmer“ – das alte Kampflied der Jugendliga des Afrikanischen Nationlkongresses (ANC). Erst am Wochenende waren in einem Hotel in der Stadt East London sechs weiße Gäste ermordet und sieben verletzt worden. Die Polizei macht auch für diese Tat „Apla“ verantwortlich. Aber am Sonntag hatte ein lokaler Polizeisprecher erklärt, es würden Hinweise untersucht, wonach ein weißer Fahrer das Fluchtauto steuerte – eine Version, die später von übergeordneten Stellen eifrig bestritten wurde.

Die neueste Welle der Gewalt begann nach der Ermordung von Chris Hani, dem Generalsekretär der Kommunistischen Partei, durch den Rechtsradikalen Janusz Waluz am Ostersamstag. Seitdem starben 90 Menschen. Seit Mitte des letzten Jahres kamen insgesamt 16 Weiße bei politisch motivierten Anschlägen ums Leben – rund 10.000 Schwarze wurden seit Beginn des Reformprozesses im Jahr 1990 Opfer der politischen Gewalt. Willi Germund

„Rassenkrieg“ in der Provinz

Vrede (epd) – Wie die Spannungen eskalieren können, zeigt die Lage in der weißen Kleinstadt Vrede, die sich zur „verbotenen Zone“ für die Bevölkerung des schwarzen Nachbartownships Thambalihle erklärt hat. Auf der Straße zwischen beiden Orten patrouillieren martialisch aussehende Weiße mit Gewehren. Die Eskalation hatte Mitte April nach der Ermordung von Chris Hani und einer Demonstration von schwarzen Schülern in Vrede begonnen. Ein weißes Geschäft wurde dabei von aufgebrachten Jugendlichen mit einer Benzinbombe in Brand gesteckt. Bei einer erneuten Demonstration kurze Zeit später vor der Polizeistation ließ der Polizeichef in die Menge schießen, die schon auf dem Rückmarsch ins Township war. Eine Frau kam dabei ums Leben, 40 Menschen wurden verletzt. Daraufhin beschloß der lokale ANC einen Boykott der weißen Geschäfte. Dies brachte die weißen Ladenbesitzer, die von der Kaufkraft der 18.000 Schwarzen in Thambalihle abhängig sind, in Wut. Sie berieten Gegenmaßnahmen, die vom weißen Stadtrat voll mitgetragen werden. Am 28. April wurden alle schwarzen Beschäftigten, einschließlich der Hausangestellten, entlassen und Vrede für Schwarze gesperrt, mit Ausnahme der in der weißen Klinik gebrauchten schwarzen Krankenschwestern. Die Maßnahmen sollen erst aufgehoben werden, wenn der ANC sich schriftlich verpflichtet, „niemals wieder einen Käuferboykott, Streiks und Demonstrationen zu beschließen“. „Wir haben die Schwarzen nicht mit Gewalt hinausgeworfen, sondern sehr friedlich darum gebeten, nicht mehr nach Vrede zu kommen“, erläutert Bürgermeister Dick Roux, der der regierenden Nationalpartei von Staatspräsident de Klerk angehört, den Beschluß.