Japan fürchtet um seine Blauhelme

■ Heftige Reaktionen nach dem Tode des ersten japanischen UNO-Soldaten in Kambodscha / Regierung in der Klemme

Tokio (taz) – Der Kambodscha-Trick der japanischen Regierung funktioniert nicht mehr. 600 Soldaten und 75 Polizisten hatte Tokio im vergangenen Jahr als Blauhelme nach Pnom Penh ausgeschickt und der eigenen Bevölkerung dabei versprochen, der Einsatz sei „vollkommen ungefährlich“. Der Tod eines japanischen Blauhelm-Polizisten am Dienstag in Kambodscha hat Nippon nun eines besseren belehrt.

Vorbei ist damit auch Japans ewiger Frieden seit dem Zweiten Weltkrieg: Mit dem 44jährigen Polizisten Haruyuki Takata hat Japan das erste Kriegsopfer seit 1945 zu beklagen, welches in offizieller militärischer Mission sein Leben ließ. Sofort brach Premierminister Kiichi Miyazawa seinen Urlaub ab. Sein Sprecher Yohei Kono bezeichnete die Lage in Kambodscha als „extrem schwierig“. In einem außergewöhnlichen Interview während der Abendnachrichten des halbstaatlichen Fernsehsenders NHK appellierte Kono gestern an die JapanerInnen: „Wir sollten von den Zwischenfällen nicht zu beunruhigt sein. Jetzt gilt es, noch mehr für den Frieden in Kambodscha zu tun.“

Vorfälle wie am Dienstag, als ein Konvoi der UN-Friedensmission in Kambodscha nahe der thailändischen Grenze unter Beschuss von Rebellen – vermutlich Soldaten der Roten Khmer – geriet, hatten sich in den letzten Wochen gehäuft und seit März das Leben von mindestens neun ausländischen UN-Missionsmitgliedern gefordert. Insofern kam die Todesnachricht für die japanische Regierung nicht überraschend. Doch schon am Mittwoch zeigten die öffentlichen Reaktionen, wie schlecht Japan auf diesen Fall vorbereitet war.

„Es muß so schnell wie möglich überlegt werden, wie sich Armee und Polizei aus Kambodscha zurückziehen lassen“, forderte der prominente Verfassungsexperte Toshihiro Yamanouchi und gab zu bedenken: „Die Verantwortung der Regierung, welche die Lage in Kambodacha immer als sicher bezeichnete, ist groß.“ Yamanouchi sprach dabei nur aus, was eine Mehrheit der Bevölkerung seit Beginn der Blauhelmdiskussionen im Zuge des Golfkrieges dachte: Japaner in den Krieg? Nein danke.

Schon versuchen die Oppositionsparteien, aus dem Tod des Polizisten politischen Profit zu schlagen. „Die Voraussetzungen für die Teilnahme Japans an der UN-Friedensmission in Kambodscha sind nicht mehr vorhanden,“ kommentierte der neue Generalsekretär der japanischen Sozialdemokraten, Hirotaka Akamatsu. Eine öffentliche Kampagne der Sozialdemokraten gegen militärische Einsätze im Ausland käme vermutlich gerade jetzt gut an, da die Ziele der japanischen Indochinapolitik einer breiten Öffentlichkeit immer unklarer erscheinen. Tatsächlich ist der Frieden in Kambodscha aufgrund der Boykotthaltung der Roten Khmer wieder in weite Ferne gerückt. Nach dem Tod von Haruyuki Takata hat die japanische Regierung vorerst jede Chance verspielt, ihr erstes militärisches Auslandsunternehmen seit Kriegende als Erfolg preisen zu können.

In Bedrängnis gerät die Regierung aber auch aufgrund einer sehr restriktiven Gesetzeslage. Das erst im letzten Sommer verabschiedete Blauhelmgesetz sieht den Einsatz japanischer Soldaten im UN-Auftrag nur dann vor, wenn Waffenstillstand herrscht und alle Konfliktbeteiligten ihre Einwilligung zu einer UN-Mission gegeben haben. Das Pariser Kambodscha-Abkommen schien diese Voraussetzungen zeitweise zu erfüllen. Doch nun ist die japanische Regierung auf fragwürdige Argumente angewiesen, um den Einsatz ihrer Truppen zu rechtfertigen: „Der Vorfall ereignete sich weit entfernt vom Stationierungsort unserer Armee“, beschwichtigte Toshio Nakayama, Chef der japanischen Verteidigungsbehörde. Im Außenministerium beschwörte Vize-Minister Koji Kakizawa den Umstand, daß es sich um „keinen Großangriff“ der Roten Khmer halte. Kaum war das gesagt, meldeten die UN-Behörden am Mittwoch den Angriff von 300 Roten- Khmer-Soldaten auf chinesische UN-Truppen.

Dem Schöngerede des Krieges wollen immer weniger Japaner ihr Vertrauen schenken. Sogar regierungsnahe Experten warnen vor den unabsehbaren Folgen im kambodschanischen Bürgerkrieg: „Die Regierung kann nicht länger nur Optimismus predigen“, gab der frühere Kabinettschef für Nationale Sicherheit, Atsuyuki Sasa, zu Bedenken. „Wenn unsere Politik so unklar bleibt wie bisher, gibt es bald niemand mehr, der nach Kambodscha geht.“

Doch für die Regierung gibt es bislang kein Zurück. „Wenn nur Japan das Pariser Kambodscha- Abkommen in Frage stellt, ziehen wir die Kritik aller anderen Länder auf uns“, kommentierte ein Diplomat im Außenministerium. Kritik aber wird es vor allem dann geben, wenn Japan seine Außenpolitik weiterhin wankelmütig der Situation anpaßt, statt klare Grenzen für sein militärisches Engagement zu ziehen. Georg Blume