Das Geschäft mit Kambodschas Krieg

■ Thailand beschließt bedingte Öffnung der Grenze trotz des UNO-Embargos

Bangkok (taz) – Während in Kambodscha gekämpft wird, diskutieren thailändische Politiker übers Geschäft. Gerade hatten Soldaten der Roten Khmer die Stadt Siem Reap nahe der Tempel von Angkor überfallen, Truppen der Regierung des Premiers Hun Sen und UNO-Personal angegriffen und getötet. Da beschloß Bangkoks Kabinett in der Nacht zum Mittwoch, die Grenzübergänge zum Nachbarland „je nach Bedarf“ wieder zu öffnen. Hintergrund: Thailändische Firmen – und mit ihnen die Politiker, die vielfach selber Firmeneigner oder -teilhaber sind – wollen das Embargo gegen Holz und andere Produkte aus Kambodscha umgehen.

Die seit Januar geschlossenen Grenzübergänge sollen allerdings nur für den Rücktransport schweren Holzfällgerätes passierbar werden – die gefällten Stämme müssen im Land bleiben. Eine Niederlage für Thailands Innenminister General Chavalit Yongchaiyudh. Selbst einer der größten Importeure kambodschanischen Holzes, hatte er sich zum Sprachrohr dieser Industrie gemacht, die sich gegenüber japanischen Holzfällern benachteiligt fühlt. 27 thailändische Holzfirmen haben bis zum UN-Embargo ein Vermögen an Kambodschas Hölzern verdient. Sie importierten 1,2 Millionen Kubikmeter, weitere 800.000 fällten Thais in Kambodscha für den lokalen Markt allein 1992.

Größte Raubbauer an Kambodschas Urwald – sieben Millionen Hektar, die Hälfte des Landes, ist vom Regenwald bedeckt – ist die „Thai Plywood“, eine Firma unter Aufsicht des Bangkoker Landwirtschaftsministeriums. Sie hatte 900.000 Kubikmeter Holz in Kambodscha bestellt. Thailands Holz-Händler, unter ihnen Generäle, Parlamentarier und Polizeioffiziere, fühlen sich nun von der Regierung unter Premier Chuan Leekpai betrogen. Japanische Firmen, so klagt Thanit Kraivuth, Abgeordneter der oppositionellen Chart Thai Partei, würden weiter fleißig in Kambodschas Urwald fällen und Holz exportieren, „weil sich das UN-Embargo lediglich auf unverarbeitetes Holz bezieht, also die Stämme“. Die Japaner sind smarter als die Thais, meint Thanit. Sie betreiben Sägewerke in Kambodscha – eines davon in Phnom Penh mit einer Tageskapazität von 300 Kubikmetern – und exportieren die Bretter. Thanit sieht „eine Konspiration der Japaner“ und bedauert, daß die thailändische Regierung die UN-Resolution „falsch interpretiert“ hat.

Außenminister Prasong Soonsiri hat die vollständige Öffnung der Grenze noch einmal abgeblockt. Doch nicht um die Umwelt zu schonen, sondern die Gefühle der Roten Khmer – die er jahrelang als Vorsitzender des thailändischen Nationalen Sicherheitsrates gegen die vietnamesischen Invasoren Kambodschas unterstützte. Die Truppe Pol Pots, zur Zeit bemüht, die Parlamentswahl ab dem 23. Mai zu verhindern und Macht gegenüber Hun Sens „Staat von Kambodscha“ (SOC) zu demonstrieren, fürchtet nämlich, daß mit dem Wiederaufleben des Holzgeschäftes viel Geld sowohl an Hun Sens Volkspartei als auch an die FUNCINPEC des Sihanouk-Sohnes Prinz Ranmaridh fließt.

Die Geschäfte der Roten Khmer mit den Thais laufen nicht mehr so gut. Nach der Schließung der gemeinsamen Grenze darbt der Edelsteinhandel und der -abbau aus den Konzessionen, die die Roten Khmer von ihrem Hauptquartier im Grenznahen Pailin an Thailänder vergeben hatte. Hunderte von thailändischen Konzessionären gruben dort vor allem nach Rubinen und Saphiren. Die Gebühren füllten die Khmer-Rouge- Kasse mit monatlich bis zu drei Millionen Mark. Thailändische Firmen transportierten riesige Steinquader über die Grenze, um sie von Thai-Spezialisten auf eigenem Boden auswaschen zu lassen. Der Großhandel ist seit Verhängung des Embargos zum Taschenhandel geschrumpft. Grenzgänger können nur noch kleine Mengen in der Hosentasche über die grüne Grenze schmuggeln.

Thailands Grenzhändler hoffen nun auf die Wahlen und darauf, daß dann das UNO-Embargo aufgehoben wird. Die Holzfirmen haben kräftig in den innerkambodschanischen Straßenbau investiert. Zunächst für den Abtransport der Stämme, „aber schließlich hat auch die Bevölkerung den Nutzen“, lobt Thanit. Die thailändische Regierung setzt auf großangelegten Handel mit Phnom Penh über die Landesgrenze.

Schon vor dem Einzug der UN- Friedenstruppen im Mai vergangenen Jahres begannen Pioniere der thailändischen Armee mit dem Ausbau der nach 20 Kriegsjahren verrotteten Verbindungsstraßen zwischen dem thailändisch-kambodschanischen Grenzort Poipet und den Städten Sisophon, Battambang und schließlich Phnom Phen. Doch wann über diese Route mit Konsumgütern vollgepackte Lastwagen in die kambodschanische Hauptstadt rollen können, hängt letztlich von den Roten Khmer ab.

Nach dem Angriff auf Siem Reap am Montag haben die Soldaten Pol Pots in der Nacht zum Mittwoch den Stützpunkt eines chinesischen Pionierbatallions in der Provinz Kompong Thom beschossen – wohl mit Waffen, die China den Roten Khmer selbst geliefert hatte.

In Bangkok sind sich die Militär-Attachés der westlichen Botschaften einig: Die Roten Khmer verfügen in ihren Depots im Landesinneren über ausreichend Waffen, um über Jahre einen Krieg gegen die künftige Regierung zu führen. Dies, obwohl seit zwei Jahren der Nachschub über Thailand ausbleibt und seit Monaten Waffen aus Beständen des kambodschanischen Widerstandes zurück nach Thailand und von dort aus in andere asiatische Krisengebiete, wie nach Indien und Birma, fließen: Die Handgranate für umgerechnet 30 Pfennig, ein chinesisches AK 47 Schnellfeuergewehr für gerade 120 Mark. Ein Handel, an dem wiederum die Offiziere des Nachbarlandes mitverdienen. Peter Dienemann