Sanssouci
: Vorschlag

■ „Acoustic Night“ im Knaack

Evangelische Jugendgruppen boten oft den ersten Kontakt zum anderen Geschlecht und sorgten vor allem für das deflorierende Petting mit selbst verfertigter Musik. Da knarzten die Gitarren, im Versuch, selbstverfaßte Weisen wiederzugeben. Die meisten legen jene schüchternen musikalischen Gehversuche ja zu den Akten. Einige wenige aber machen weiter. Passiert so was, wenn Menschen zu intensiv träumen? Wenn man, anstatt Musik zu machen, ein Sprachstudium absolviert? Oder wenn man daheim U2 und Beatles nachklimpert?

Edina Thalhammer ist es passiert, obwohl sie aus dem katholischen Wien stammt. Sie traf Christof Straub, sie klimperten auf der heimischen Couch und nannten sich Papermoon. Man gewann österreichische Preise in der Sparte Folk und wurde ganz schnell entdeckt. Mal dichtet die Thalhammer in englisch, mal in deutsch, ihr Idiom verkneift sie sich. Irgend was am Hut mit den so gerne selbstmordjonglierenden Barden ihrer Heimatstadt hat sie auch sonst nicht. Die Töne von Straub perlen und tröpfeln, streicheln die Hirnanhangdrüse. Man könnte an die Cowboy Junkies denken, aber deren Neudefinition der Langsamkeit bleibt trotz immer moderater Tempi unerreicht.

So was passiert auch, wenn man sich zu lange in Greenwich Village rumtreibt. Oder Bob Dylan hört, statt tanzen zu gehen. Und doch hatte Wendy Chamlin ein Problem mit dem Songwriter-Dasein und bestand deshalb auf ihrer Band. Nichtsdestotrotz hört man ihren gemächlichen Perlen an, daß sie, wenn nicht im Kaminfeuerschein, dann im stillen Kämmerlein entstanden sind. Da findet nicht viel statt, die Band zeigt grademal, daß sie nicht eingeschlafen ist. Hüten sollte Chamlin sich nur vor dem manchmal zu monotonen Schlagzeug, das ihre so wunderbar schlichten Songs zum Mainstream-Rock hin böse entfremdet.

Oder man löst seine Band auf und gründet eine neue. So tat es Robert Tijuna, seines Zeichens Grammy-Preisträger in der Sparte „Bester Bandname“. Aber der gute Robert hat das Country-Kabarett-Programm abgelegt. Für The Illegal Artists blieb zwar das Marlboro-Feeling, fand sich aber auch das Bemühen um mehr Authentizität. Dazu bereit standen dann allerlei Musikusse von Bad Livers, Poi Dog Pondering, Virulent Violins, Perc and the Hidden Gentleman, natürlich Cliff Barnes und viele mehr. Irgendwie überraschend aber, daß Tijuana auch als halbwegs ernsthafter Musiker durchgeht.

All so was passiert halt. Immer wieder. Zu meiner Zeit trafen sich die jungen Menschen dazu in evangelischen Gemeindehäusern, jetzt nennen sie es „Acoustic Night“. Thomas Winkler

Am 7.5. um 22 Uhr im Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg.