Durchs Dröhnland
: Als das Saufen noch geholfen hat

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Der jamaikanische Dub-Poet mit der englischen Schulbildung ist immer noch der unbestrittene Wortführer des Reggae-Untergrund, auch wenn er mit seinen vertonten Versen inzwischen Tausende erreicht: Die Poeme von Linton Kwesi Johnson erfüllen zum einen denselben agitatorischen, Gegenöffentlichkeit formulierenden Effekt wie die eines Gil Scott-Heron – und markieren zudem die Steinzeit von Rap. Im Gegensatz zu Scott-Heron hat es Johnson aber immer verstanden, die Musiker um sich zu scharen, die seinen Reimen nicht nur die handelsübliche (und eingeschränkte) Grundlage gaben. Vom Reggae ausgehend adaptiert er: Jazz sowieso, Sampling ebenso und alle geschmeidigen Stile, die seiner Stimme genügend Raum lassen.

Am 7.5. um 20 Uhr im SO 36, Oranienburger Straße 190, Kreuzberg

Die Schublade „Progressive Rock“ läßt Übles ahnen, trifft aber auf die Londoner Formation Experiment durchaus zu – ohne daß deren Musik im Akademischen erstarrt. Ihre eindeutig im Punk fußenden Strukturen reichern sie mit Jazzrock-Elementen an, ohne daß das Bäuerchen der siebziger Jahre zu deftig erklingt.

Am 7.5. um 22 Uhr im K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg

Wo Herzblut schwer dampfend aus schwarzen Blumen tropft, ist meistens immer noch Berlin. Wieder einmal demonstriert von Jeszicas's Crime, irgendwo um den Wedding herum beheimatet und die Stimmung, die sich in einem klammen, feuchten Übungskeller notgedrungen einstellen muß, auf den Punkt bringend.

Am 7.5. um 22 Uhr im Acud, Vetarenenstraße 21, Mitte

Wo nicht versucht wird, Ethno zu kommerzialisieren, und trotzdem weiter Authentizität zu behaupten, entstehen meist die schönsten Ergebnisse. The Dostoyevskys aus Cardiff versuchen erst gar nicht, all die divergierenden Folk-Einflüsse lokalisierbar stehen zu lassen. Statt dessen packen sie in jedes ihrer Gitarrenpop- Stücke reichlich Volksmusiken: britischen Folk, russische Balalaikas, griechische Bouzoukis, vielleicht sogar Klezmer. Ihre Souveränität besteht darin, in den Balladen nicht im Kitsch zu versinken und bei den suffseligen Stampfern keinen Zuviel-Guiness-Abklatsch abzuliefern. Daß das leicht mißlingen kann, haben nicht zuletzt die Berlinerischen Poems For Laila öfter mal bewiesen.

Am 8.5. um 22 Uhr im Franz, Schönhauser Allee 36-39, Prenzlauer Berg

Der deutsche Punkrock ist von einigen rührigen Kellerloch-Aktivitäten mal abgesehen ein überaus trauriges Kapitel. Die letztjährige Reunion-Tournee von Slime war die musikalische Sensation des Genres, seitdem die Sicherheitsnadeln knapp geworden sind. NoRMahl gibt es auch noch, im Info zur neuesten Veröffentlichung wird freimütig zugegeben, mit diesem achten Album endlich mal Geld verdienen zu wollen. Eine gewisse Eingängigkeit kann man ihnen nicht absprechen, aber den Toten Hosen werden sie so keine Konkurrenz machen: „Wir tanzen den Trümmer-Tango auf den Trümmern der modernen Zeit/... und sind zum Leben und zum Sterben bereit.“ Da geht ihnen dann doch der nötige Humor ab – man kann auch Skrupellosigkeit dazu sagen. Womit sie bei „Against Racism & Facism“ auch wieder richtig sind. Mit dabei noch: No Sports, Descendants (nicht zu verwechseln mit der fast gleichnamigen US-HC-Legende Descendents), Die Hexen, Mothers Pride und Dread Youth.

Am 8.5. ab 18 Uhr in Huxley's Neuer Welt, Hasenheide 108-114, Kreuzberg

Die Siebziger waren schon eine komische Zeit. Damals hielt man es sogar für Kunst, wenn man Hard Rock mit Fantasy-Texten versah. Saga erweiterten dieses noch durch ihre typischen jodelnden Gitarrenlicks, und fertig war die kanadische Bombast-Laube im Stadion-Format. 15 Jahre sind seit der Gründung vergangen, sechs Jahre haben die Herren Pause gemacht, die Zeiten haben sich geändert, Saga nicht.

Am 10.5. um 20 Uhr in Huxley's Neuer Welt

Zum Hardcore-Tip der Woche: Shutdown zeichnet nichts aus außer der Gabe, den altbekannten Zutaten eine unverschämte Frische zuteil werden zu lassen. Da schrubben die Gitarren, rotieren die Trommeln und jagen sich die guten Melodien. Am ehesten erinnern sie mich an die frühen Hüsker Dü – was einen natürlich wiederum an mindestens die Hälfte aller denen folgenden Bands erinnert. Doch Shutdown beschwören die gar nicht so schlechten alten Zeiten überaus gelungen herauf. Und ein wenig Euphorie hat auch noch keinem geschadet.

Am 11.5. mit Decadence Within auf der Insel, Alt-Treptow 6, Treptow

In einer Zeit, als das Saufen noch geholfen hat oder zumindest nicht diese schwer verarbeitbaren Nachwirkungen hatte, spielten Green On Red den Soundtrack zu den unverdaulichen Gefühlsverstimmungen, die junge Herzen so gerne erfassen. Nichts half einem so gut über dieses und vor allem jenes hinweg wie Dan Stuarts Hymne „Cheap Wine“ und rauhe Mengen desselben. Doch nicht nur man selbst, auch die Beschaller von damals, Stuart und sein Langzeitkumpel Chuck Prophet, werden älter; und ziehen sich auf den selbstreflektierenden Bauchnabelstandpunkt zurück. Deshalb gibt es Green On Red nur noch als Duo und überaus abgehangene Alterswerke der gerade mal Anfang Dreißigjährigen. Prophets hauptsächliche Funktion bei Green On Red war, dem oft zur allzu großen Geste neigenden Stuart je nachdem eine angemessen knarzige oder desperat weite Gitarre zur Seite zu stellen. Beide Fähigkeiten demonstriert Prophet auch auf seiner zweiten Solo- Platte „Balinese Dancer“, seine Stimme hat dieses angenehm breite, trotzdem unangestrengte Idiom, das vom Kaugummi kommen muß. Der deftigste Unterschied zu Green On Red besteht im dezenten Experimentieren mit amerikanischen Volksmusiken, die aber immer höllisch geschmackssicher eingebaut werden. Vielleicht ist inzwischen ja eine Zeit angebrochen, in der Musik allein auch schon hilft.

Am 12.5. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Gas Huffer kommen aus Seattle, aber die Antwort ist „Nein“. Nein, Gas Huffer spielen keinen Grunge. Eher schon Punkrock, aber mit einem offensichtlichen Rockabilly-Einfluß, der aufgrund mörderischer Geschwindigkeiten zum Shockabilly wird. Das könnte man dann schon wieder Hardcore nennen, also nennen wir's so, denn zurückschalten tun Gas Huffer nur überaus selten – bestenfalls, wenn ein besonders dämlicher Witz wie „Remove The Shoe“ anliegt, ein Folkrock, der keiner sein kann, weil Gas Huffer so was nicht spielen können, vielleicht soll es auch einfach ein Saufstück sein, ein Kneipenscherz ist es bestimmt. Die Stimme von Matt Wright erinnert mich zudem noch an Rob Younger von den in ausgedehnten Kreisen kultisch verehrten Radio Birdman. Und wenn Gas Huffer die Billy-Hooklines etwas zurücknehmen und schlichter geradeaus spielen, kommen sie doch nahe an die Australier ran.

Mit No Name am 13.5. um 21 Uhr im Huxley's Junior Thomas Winkler