Dunkle Schatten der Angst

Kulturschock, Behördenlabyrinth, Amtslogik: Ein Film von Konstantin Schmidt im Acud  ■ Von Petra Kohse

Der Titel ist dumm. Und zwar in doppelter Hinsicht: Erstens sind Schatten immer dunkel, und zweitens geht es in Konstantin Schmidts Film nicht um Schatten der Angst, sondern um die Angst selbst. Genauer gesagt: um verschiedene Ängste sowie um das Fremde und die Gewalt.

Eine in ihrer Heimat gefolterte Frau kommt als Asylbewerberin nach Berlin. Sie spricht nicht, verhält sich unberechenbar und wird in die Psychiatrie eingeliefert. Eine junge Ärztin versucht behutsam, Kontakt mit der Fremden aufzunehmen, doch gelingt es ihr nicht, sie aus der Hölle ihrer Erinnerung zu befreien.

Der Krankenhausalltag hält zu viele Momente bereit, die das Gewalttrauma auslösen: lange Gänge, schwere Schritte, geschlossene Türen, große Schlüsselbünde, tropfende Wasserhähne. Gewalt erzeugt Angst, die Erinnerung an Gewalt Angst vor neuer Gewalt. Einzig positive Erfahrungen könnten hier helfen, doch die sind kaum zu machen, wenn das Angstverhalten für andere nicht nachvollziehbar, fremd ist, selbst zum angstauslösenden Moment wird und sie zu ihrer Verteidigung mit Gewalt reagieren.

Ein Pfleger und eine Schwester bringen die Frau in den Waschraum. Die Dusche erinnert sie an ihre Folterkammer, sie wehrt sich, beißt, schreit. Das Personal gerät in Panik, ringt sie nieder, gibt ihr eine Beruhigungsspritze, schnallt sie am Bett an. Die alte Erfahrung wird zur neuen Gewißheit: Dusche gleich Gewalt.

Natürlich könnte man anders auf eine schreiende, um sich schlagende Frau reagieren, zumal wenn man vermutet, daß es sich um ein Folteropfer handelt. Aber wie ist das zu machen im Alltag einer psychiatrischen Abteilung, wenn etliche andere Patienten ebenfalls versorgt werden müssen?

Konstantin Schmidts Film klagt nicht an, auch wenn er die stumme Frau am Ende sterben läßt. Er will Verständnis wecken für das Fremde, und er versteht dabei auch die Befremdeten. Immer wieder bebildert er die Foltererinnerung der gequälten Frau, die die Wahrnehmung ihrer aktuellen Wirklichkeit nicht nur überschatten, sondern durchdringen. Und er zeigt das logische Unverständnis der anderen, die keine Soldaten in den Gängen stehen sehen, keine auf sie gerichteten Gewehrläufe, keine Fesseln und schwarzen Kapuzen.

Psychologisch ist dieser Film sehr subtil. Aber es handelt sich mit „Dunkle Schatten der Angst“ nicht nur in dieser Hinsicht um eine Fallstudie, sondern bringt auch eindringlich zu Bewußtsein, wie umfassend Folter die Persönlichkeit zerstört und mit welcher relativen Gleichgültigkeit die deutschen Behörden auf das Faktenwissen reagieren, daß andernorts gefoltert wird. Woher die Frau kommt, bleibt offen, vielleicht ist sie Türkin. In der Türkei sind seit 1980 über 600.000 Folteropfer registriert.

Schmidt, der selbst in Istanbul geboren und aufgewachsen ist, thematisiert in seinem Film anhand weiterer Personen und Handlungsstränge auch andere Aspekte der Problemkonstellation Asylbewerber/in in Deutschland: Kulturschock, Verständigungsprobleme, Behördenlabyrinth, Amtslogik. Es ist ein durchweg realistisch, teilweise fast dokumentarisch wirkender Film über das Fremdsein in Deutschland, der mit Nur Sürer, Tuncel Kurtiz, Annette Uhlen, Hansi Jochmann und Aykut Kayacik in den Hauptrollen überzeugend besetzt ist.

Im Acud wird er in Verbindung mit einem weiteren Film gezeigt, einer halbstündigen Reportage von Torsten Schulz, die sich mit der doppelten Heimatlosigkeit von Menschen beschäftigt, die nach jahrelangem Leben in Deutschland (genauer: der DDR) wieder in ihr Geburtsland zurückkehren: „Germans in Maputo“. 14.000 Mosambikaner sind seit der Wende in ihr bürgerkriegszerrüttetes „Heimatland“ zurückgeschickt worden oder nach den jüngsten gewaltvollen Erfahrungen mehr oder minder freiwillig gegangen. Schulz befragt sie nach ihrem Leben, ihren Zukunftsaussichten, ihrer Zeit in Deutschland. Einer mit rotem Kapuzenshirt und einer goldgeränderten Sonnenbrille erinnert sich an die Vorfälle in Hoyerswerda. „Das tut noch weh“, sagt er, und als angemessene Strafe für die Täter schlägt er vor: „Alle umbringen.“

Kurz vor der deutschen Vereinigung seien plötzlich alle durchgedreht, resümiert ein anderer, in dessen Wohnzimmer das Foto eines Braunkohlewerks der ehemaligen DDR mit Weihnachtsbaumkugeln bekränzt ist. „Die Heimkehrer sind eine Gruppe von Privilegierten“, sagt indessen der stellvertretende Arbeitsminister von Mosambik. Was aber nutzt einem das Privileg, einmal eine Stereoanlage besessen zu haben, in einem Land, in dem ein Monatsverdienst gerade mal für eine Flasche Portwein reicht?

Die Mosambikaner haben ihre Schuldigkeit getan, sie konnten gehen. Mit sicher schmalen Mitteln der Hochschule für Film und Fernsehen in Babelsberg haben Torsten Schulz und sein Kameramann Rene Jung einzelne Individuen aus einer bilateralen ökonomischen Manövriermasse fokussiert, entwurzelte Menschen, für die niemand die Verantwortung übernehmen will.

„Dunkle Schatten der Angst“ von Konstantin Schmidt (88 Minuten) und „Germans in Maputo“ von Torsten Schulz (30 Minuten) bis 19. Mai, 20.00 und 22.15 Uhr (heute nur um 20 Uhr) im Acud Kunstverein, Veteranenstraße 21, Bezirk Mitte.