Unliebsame lila Pausen

■ ABM-Bewilligungsstopp trifft Frauenprojekte hart / Rund 600 Stellen fallen weg, etwa 50 Initiativen droht die Schließung

Berlin. Macht frau sich dieser Tage auf den Weg zum Frauenzentrum um die Ecke, so muß sie mit einer unliebsamen Überraschung rechnen. An nicht wenigen Türen baumelt das Schild „Geschlossen“. Frauen-Räume werden knapp in Boomtown Berlin. Der schleichende ABM-Tod ist längst kein Phantom mehr.

Die Analyse der ABM-Situation bei Ostberliner Mädchen- und Frauenprojekten, vorgelegt von der Fraktion Bündnis 90/Grüne/ UFV, hätte deprimierender kaum ausfallen können. In knapp 80 Projekten stehen 1.300 ABM-Frauen rund 50 Festangestellten gegenüber. „Mindestens 590 der ABM- Stellen“, so Sibyll Klotz, die frauenpolitische Sprecherin der Fraktion, „sind nicht verlängerbar, da sie schon im zweiten Jahr sind.“ Was da durch ABM-Bewilligungsstopp und die tiefen Löcher im Berliner Haushalt wegzubrechen droht, ist eine seit der Wende gewachsene Frauen-Infrastruktur.

In diesen Zeiten den dritten Geburtstag eines Zentrums zu feiern, kommt beinahe einer Sensation gleich. Das Geburtstagskind EWA (Erster Weiblicher Aufbruch), Flaggschiff Ostberliner Frauenprojekte, erfreut sich an der Prenzlauer Allee regen Zulaufs. Über 2.000 Frauen nehmen hier monatlich das breitgefächerte Veranstaltungs- und Kursangebot war. „Wir bieten den Frauen hier eben einen Ort, wo sie neue Perspektiven entwickeln und gestalten können“, so die Geschäftsführerin Barbara Hömberg.

Zum Protest können die Frauen sich nicht mehr aufraffen

Auf der Suche nach Perspektiven sind die sieben EWAs momentan jedoch selbst. Vier von ihnen arbeiten auf ABM-Basis. Spätestens im August könnten die verbleibenden drei Mitarbeiterinnen allein in den sauren Apfel beißen.

Insgesamt, so Sibyll Klotz, sind dieses Jahr rund 50 Initiativen von Schließung bedroht. Ganze Stadtteile, etwa Hohenschönhausen, würden damit zur frauenprojektfreien Zone veröden.

Doch trotz der angespannten Lage ist von Protest in der Frauenprojekteszene noch keine Rede. Für viele Frauen in den Initiativen gleicht die gegenwärtige Lage eher einem lähmenden Teufelskreis. Immer mehr arbeitslos gewordene Berlinerinnen nehmen ihre Hilfe in Anspruch. „Wir haben doch die gleichen Probleme wie die Frauen draußen. Wir haben doch auch die wegbrechenden Stellen, wie sollen wir da großartig mobilisieren“, meint dazu Barbara Hömberg. „Bei vielen Frauen ist einfach die Luft raus. Irgendwie klappt das nicht mehr.“

Im hintersten Hellersdorf sieht es auch nicht besser aus. Zwischen Plattenbauten und Baulücken hat sich das einzige Frauenzentrum des Bezirks angesiedelt.

„Die ,Mathilde‘ ist Anlaufstelle für viele Frauen aus der Umgebung, die ihre Probleme loswerden oder sich einfach entspannen wollen“, berichtet die Projektleiterin Petra Schira bei einem Gang durch das Haus. „Im Schnitt sind unter den Besucherinnen wöchentlich zwei bis drei Frauen, die von ihren Männern mißhandelt werden. Immer mehr kommen mit Alkoholproblemen.“ Bis Ende des Jahres laufen alle ABM-Stellen aus. Petra Schira ist dann praktisch allein. Hoffnung hat sie trotzdem. „Unsere Besucherinnen haben uns angeboten, zusammen für die ,Mathilde‘ zu kämpfen. Wenn nichts geht, wollen wir ehrenamtlich weitermachen.“

Auch im Bezirk Friedrichshain ist längst der Frauenprojekte-Notstand ausgebrochen. Übrig geblieben sind die „Friedrichshainer Damen“ von „Frieda“. Und auch hier das gleiche Bild. Großes Angebot, schöne Räume, fragliche Zukunft. Der einmaligen privaten Kinderbetreuung für alleinerziehende Mütter, die von 13 ABM-Frauen getragen wird, droht ebenso das Aus wie „Frieda“ selbst. Insgesamt werden 26 Stellen erst einmal verschwinden. „Allein vom Kinderbetreuungsdienst hängen rund 200 Frauen und ihre Arbeitsplätze ab“, bemerkt Andrea Michel, Projektleiterin bei „Frieda“. „Für mich ist das persönlich ein Problem, daß wir uns noch nicht wehren, nichts tun, nicht protestieren, demonstrieren, aber die Leute sind fertig.“

Hier hofft man auf neue Stellen und die Aktivitäten des Plenums Ostberliner Frauenprojekte, kurz POP. Über zwanzig Zentren sind bereits der Initiative beigetreten, um gemeinsame Lobbyarbeit zu betreiben. Die wird auch notwendig sein. Drohen doch sonst die Ruinen eines ehemals frauenpolitischen Aufbruchs Ost. Tanja Stidinger