In den kommunizierenden Röhren

■ Die Abrechnung: Christoph Heinzle sprach mit ARD-Chef Jobst Plog über die Finanzmisere des Ersten

In der Finanzplanung der ARD bis 1996 klafft ein Loch von 1,6 Milliarden Mark. Durch sparen, sparen und nochmals sparen will die ARD jetzt die Hälfte des Fehlbetrages abbbauen.

taz: Herr Plog, eine der Maßnahmen ist die Auflösung von Eins plus und die Beteiligung an 3sat. Wo kann es außerdem noch große gemeinsame ARD-Sparaktionen geben?

Jobst Plog: Die Hauptaufgabe verbleibt bei den Landesrundfunkanstalten. Aber wir haben auch eine Menge von Gemeinschaftseinrichtungen. Wir werden uns fragen, ob die optimal kostengünstig arbeiten, ob es Überschneidungen in der Aufgabenstellung gibt. Etwa bei Technikeinrichtungen oder beim Filmeinkauf, für den wir gemeinsam die Degeto haben und gleichzeitig Töchter in den Landesrundfunkanstalten. Man könnte sich überlegen, ob hier Synergieeffekte möglich sind, ob man Aktivitäten bündeln kann. Wir müssen prüfen, ob wir hier optimal organisiert sind, möglicherweise auch mit Sachverstand von außen, etwa durch Unternehmensberater. Außerdem sprechen wir mit dem ZDF über gemeinsame Räume und Technik bei Auslandsstudios und über nennenswerte Millionenbeträge im Technikbereich, die wir vielleicht sparen könnten.

Rund 40 Millionen Mark gibt die ARD für Eins plus aus. Ein Einstieg bei 3sat mit einem Programmanteil von etwa 30 Prozent wäre kaum billiger. Muß sich der Einspareffekt da nicht aufs Programm auswirken?

Es muß sich nicht auf unseren Programmanteil von 30 Prozent auswirken. Dieses Volumen werden wir nach unseren Kriterien auszusuchen haben. Dazu gehört die Frage, was wir uns dazu leisten können. Bei Eins plus haben wir ja Programme genutzt, die wir etwa für die Dritten Programme produziert haben oder auf Eins plus vorab ausgestrahlt haben.

Das heißt mehr Wiederholungen in 3sat.

Richtig. Es wären dann nicht primär Erstproduktionen. So war ja Eins plus bisher, und es war erfolgreich. Wir nutzen inzwischen Programme vielfach, die Kommerziellen tun das ständig. Und das ist vernünftig. Wir werden aber auch Informations- und Nachrichtensendungen zuliefern, die wir ohnehin haben. Von daher kann man den Aufwand begrenzen.

Aber 3sat war bisher immer stolz auf den hohen Anteil von Eigenproduktionen. Der Stil von 3sat würde sich also verändern.

Das glaube ich nicht. Man wird so sortieren müssen, daß ein eigenständiges Programmprofil erhalten bleibt. Aber wir müssen einen deutlichen wirtschaftlichen Effekt erreichen. Sonst wird jedermann fragen: Warum macht ihr ein relativ billiges und erfolgreiches Programmangebot nicht mehr und geht in eine neue Aktivität, die gleich teuer ist.

Die Werbetreibenden sind angesichts der niedrigen ARD-Quoten offenbar nicht mehr bereit, die aktuellen Sendezeit-Preise zu bezahlen. Bei den ARD-Werbegesellschaften wird offen von Preissenkungen bis zu 30 Prozent gesprochen. Das wäre doch ein echter Hammer für die Finanzberechnungen.

Die werbende Wirtschaft hat das, was wir geschafft haben, positiv überrascht. Dort ist sehr wohl aufgenommen worden, daß die ARD in einem früher unvorstellbaren Tempo eine Korrektur im Vorabend beschlossen hat und damit ab dem 1.6. eine sehr viel plausiblere Struktur anbietet. Wir rechnen damit, daß wir die sich abzeichnenden Zuschauerverluste auffangen können und damit Stornierungen oder Preiskorrekturen nennenswerten Umfangs vermeiden können.

Die 30 Prozent Preisabschlag sehen Sie nicht?

Wir werden das abfangen können. Es mag sein, daß wir in bestimmtem Umfang korrigieren müssen. Das hängt davon ab, wie schnell Erfolg eintritt.

Wollen Sie mit dem Einsparungspaket bei der KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzberdarfs der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten) gutes Klima für eine kräftige Gebührenerhöhung 1997 schaffen?

Die KEF erwartet vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine deutliche Einsparanstrengung. Das werden wir schaffen. Das haben wir zum Teil schon eingeleitet und beschlossen. Wenn man darüber hinausginge, müßte man Aufgaben abbauen, mit dann nötigen Schnitten in den Personalbereich hinein. Das sollten sich alle, die öffentlich-rechtlichen Rundfunk erhalten wollen, sehr wohl überlegen. Das sollten sich auch die Länder überlegen.

Wenn Sie Ihr Defizit in die nächste Gebührenperiode mitnehmen und man noch die Preissteigerung dazurechnet, muß doch eine deutliche Gebührenerhöhung her, nur um den Status quo zu halten.

Das ist richtig. Es sei denn, man bewegt sich im Bereich der Werbung. Werbung und Gebühren sind für uns kommunizierende Röhren. Im Ergebnis brauchen wir in der Summe einen Finanzierungsstand X.

Ist Ihnen egal, ob die Summe X aus mehr Werbung oder aus einer kräftigen Gebührenerhöhung kommt?

Nein, es ist mir nicht egal. Ein Verfahren, das Höhe und Zeitdauer der Gebühren besser berechenbar macht, wäre mir sicher lieber. Nur dann können Sie ein Unternehmen führen.

Wären Sie dafür, die Gebührenfestsetzung weitgehend von der Politik abzukoppeln und sie dynamisch steigen zu lassen?

Ich wäre dafür. Aber ich weiß, daß es in der Politik dazu bisher kaum Bereitschaft gibt. Es sagen zwar immer mal wieder Politiker, daß sie es wollen. Aber die wissen, daß sie nicht beim Wort genommen werden können, weil es andere gibt, die eine solche Dynamisierung auf keinen Fall mitmachen würden.