: Grüne Maske, braune Seele
Eine kaum wahrgenommene Rassismusvariante: Das Positivthema Ökologie wird zum Instrument gegen Einwanderung und Asyl ■ Von Franco Foraci und Hakan Songur
Vorurteile über Ausländer gibt es reichlich. Wir sehen das an der Asyldebatte genauso wie an der Diskussion um die doppelte Staatsbürgerschaft. Immer noch müssen die Migranten als Erklärung für fast alle Übel der Gesellschaft herhalten. So werden sie oft verantwortlich gemacht für eine hohe Kriminalitätsrate, für das Wohnungsproblem und für die hohen Arbeitslosenzahlen. All diese Punkte kann man/frau mit Statistiken und Fakten relativ schnell sachlich richtigstellen, Behauptungen dieser Art lassen sich durch die Wirklichkeit leicht widerlegen.
Weil Rassismus oft in Argumentationsnot gerät und ihm in jedem Fall der Hauch des Anrüchigen anhaftet, bricht sich eine bisher kaum wahrgenommene Rassismusvariante Bahn. Neuerdings nämlich sollen Einwanderer auch daran schuld sein, daß der deutsche Wald stirbt und daß die giftigen Ozonwerte am Boden steigen. Wer glaubt, dies seien lediglich Aussagen von rechtsradikalen Gruppierungen, der irrt. Die weitere Zuwanderung von Ausländern, sagen mittlerweile selbst etablierte Politiker der großen Parteien wie etwa der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Friedhelm Farthmann von der SPD (siehe Interview) und Wissenschaftler, vertrage sich nicht mit einem gewissenhaften Umweltschutz. Einwanderer und Asylbewerber bedeuteten „zwangsläufig“ mehr Rohstoffverbrauch, damit höhere Schadstoffemissionen, schließlich schneller wachsende Müllberge. Auf diesen kurzen Nenner gebracht, fußt die Argumentation der „Öko-Rassisten“.
Wie sehr solche Positionen in der deutschen Umweltpolitik und bei Vertretern renommierter Umweltorganisationen bereits eine Rolle spielen, verdeutlicht ein anderes Beispiel. September 1992: „Ein ,Einwanderungsland Deutschland‘ würde alle bisherigen Bemühungen für den Umweltschutz in Frage stellen und künftige Anstrengungen ungemein erschweren. Das sollten sich jene bewußt machen, die nicht müde werden, die Devise ,das Boot ist noch längst nicht voll‘ zu verbreiten, zugleich aber jeden Flächenverbrauch als ökologische Todsünde anprangern“, schreibt der bayerische Umweltminister Peter Gauweiler (CSU). Er wagt sogar eine Prognose: Wer immer dies noch nicht eingesehen habe, versuche sich an der Quadratur des Kreises und müsse scheitern.
Das Zitat war Teil eines Beitrags, der im vergangenen Herbst in der Zeitung Dialog erschien, die anläßlich des ersten Deutschen Umwelttages herausgegeben wurde. In der darin enthaltenen Rubrik „Streitzeit“ diskutierten Hubert Weinzierl, Vorsitzender des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland), und Peter Gauweiler die „ökologischen Aspekte der Asylpolitik“. Weinzierl unterstrich in seinem Text einerseits, daß es eine „humanitäre und historische Verpflichtung“ für die Deutschen sei, „politisch Verfolgten (weiterhin) ein Lebensrecht unter uns einzuräumen“. Andererseits aber, so Weinzierl, könne sich die Umweltbewegung in den neunziger Jahren um die Frage, ob Deutschland ein Einwanderungsland sei, „nicht herumdrücken“. Neue Töne, selbst von bisher als „liberal“ geltenden Umweltschützern.
Gauweilers Äußerungen, die in den Ausländern ein Risiko für den deutschen Umweltschutz identifizieren, sind keine Einzelmeinung in seiner Partei. Sie decken sich fast wörtlich mit dem CSU-Parteiprogramm. Dort steht in kaum deutlicheren Formulierungen: „Wer unser ohnehin dichtbesiedeltes Land zum Einwanderungsland machen will, gibt das umweltpolitische Ziel, den Flächenverbrauch zu begrenzen, auf.“
Der neue politische Trend Öko- Rassismus, der von scheinbar plausiblen Verknüpfungen lebt, wird Studien des Frankfurter Instituts für sozial-ökologische Forschung zufolge künftig vor allem in die sogenannte politische Mitte übergreifen und hier zunehmend an Bedeutung gewinnen. Bei den erstarkenden Parteien und Organisationen am rechten Rand geht Studienleiter Peter Wehling von einer dauerhaften Etablierung einer „autoritären und nationalistischen Ökologie von rechts in der Bundesrepublik“ aus. Schon jetzt ist in einigen einschlägigen Publikationen wie der Zeitschrift Nation in Zusammenhang mit Umweltschutz von „demographischer Verschmutzung“ die Rede.
Der Begriff Ökologie weckt durchgehend positive Assoziationen. Er ist zum politischen und Allgemeingut geworden und läßt sich wegen seiner „weitgehenden Loslösung von linken Inhalten“ (Jutta Ditfurth) leider auch ziemlich gut – das heißt, ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen – zum Instrument gegen das Asylrecht und weitere Zuwanderung mißbrauchen. Der Umweltschutz als Volks- und Lebensschutz, als Ausdruck der „Liebe zur Heimat“ und sinnstiftende nationale Identität ist zwar nicht neu. Aber diese Auslegung erfährt, wie am Beispiel SPD und CDU/CSU klargeworden ist, immer mehr Zuspruch im bürgerlichen Lager. Die Sorge um die Natur wird somit zur maskierten Blut- und-Boden-Ideologie, kaschiert unter dem Deckmantel der Heimatliebe – verstanden stets als Kampf gegen „Überfremdung“, „Entfremdung“ durch andere Kulturen und „Identitätsverlust“.
Nicht länger hinnehmen will diese Entwicklung die Frankfurter Kontaktgruppe von Greenpeace. Sie organisierte Ende April zum ersten Mal eine Aktion einer Umweltorganisation gegen Rassismus in der Frankfurter Einkaufsmeile Zeil. Auf einem Transparent, das die „Greenpeacer“ an einem langen Donnerstag mitten im geschäftigen Treiben ausbreiteten, stand zu lesen: „Braune raus aus der Stadt“.
Greenpeace und Ausländerfeindlichkeit. Wo ist da der Zusammenhang? fragten sich viele Passanten, die mit dem aus dem Slogan „Autos raus aus der Stadt“ entstandenen Spruch wenig anzufangen wußten: einige schauten nur verdutzt und liefen vorbei, andere hingegen reagierten nicht selten mit harschem Unverständnis. „Sie sollten sich lieber um Wale kümmern, statt ihre Energie an Ausländer zu verschwenden“, lautete ein typischer Kommentar. Greenpeace Frankfurt läßt sich hierdurch nicht beirren. Die Pressesprecherin und Initiatorin der Demonstration, Doris Rüger, erklärt: „Es paßt ja nicht zusammen, daß ich mich für die Erhaltung von Regenwäldern, den Schutz von Robben und Walen einsetze und mir meine Mitmenschen sozusagen egal sind. Uns geht es letztlich um den Schutz der Menschen, damit untrennbar verbunden ist die Achtung der Menschenwürde.“ Rechte Öko-Tendenzen widersprächen dem Geist der Ökologie eklatant und seien daher nicht zu tolerieren. Greenpeace Frankfurt plant langfristig eine Zusammenarbeit mit den lokalen Ausländerinitiativen und dem Multikulturamt der Stadt, „weil Ökologie und ihr Mißbrauch uns alle angeht“.
Die Müllberge und das Waldsterben haben mit unserem Umweltverhalten mehr zu tun als mit der sogenannten Bevölkerungsdichte. Auch ohne einen einzigen Ausländer in Deutschland würden im Rhein nicht mehr Fische schwimmen, könnte der Chemie- Riese Hoechst AG nicht weniger dreist seine folgenreichen „Störfälle“ verbergen.
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