Paraguay stolpert in die Demokratie

Der Schatten der Militärdiktatur lastet auf den ersten Wahlen, die am kommenden Sonntag stattfinden  ■ Von Astrid Prange

Rio de Janeiro (taz) – In Paraguay, das seit der Unabhängigkeit im Jahre 1811 vom Militär regiert wird, bahnen sich entscheidende Veränderungen an. Zum ersten Mal wählen die 1,7 Millionen wahlberechtigten unter den vier Millionen Einwohnern des südamerikanischen Staates am kommenden Sonntag ein ziviles Staatsoberhaupt, ein Parlament und Provinzgouverneure – wenn nicht ein Putsch in letzter Minute die Rückkehr zu demokratischen Verhältnissen vereitelt.

Paraguays Präsident, General Andres Rodrigues, der vor vier Jahren dem langjährigen Diktator Alfredo Stroessner die Macht entriß, hat bereits mehrfach versichert, daß er sich für den Übergang zur Demokratie persönlich verantwortlich fühlt. Doch General Lino Oviedo, Chef des Ersten Heereskorps und Vertrauensmann von Präsident Rodrigues, stellte kürzlich klar, daß die seit den 40er Jahren regierende „Colorado“-Partei „unabhängig von dem Wahlergebnis weiterhin das Land zusammen mit den Militärs regieren“ würde.

Hintergrund der Äußerung des Generals ist der drohende Machtverlust der „Colorados“. Denn Meinungsumfragen zufolge wird das Rennen am Sonntag zwischen dem unabhängigen Unternehmer Guillermo Vargas und dem Liberalen Domingo Laino entschieden. „Colorado“-Kandidat Juan Carlos Wasmosy steht in der Gunst des Volkes erst an dritter Stelle.

Einen linken Präsidentschaftskandidaten, wie 1989 im Nachbarland Brasilien der Gewerkschaftler Luis Inacio Lula da Silva, gibt es in Paraguay nicht. „Hier stellen sich nur Unternehmer auf“, meint der Politikwissenschaftler Jos Carlos Rodrigues, Leiter des Dokumentationzentrums CDE in der Hauptstadt Asuncion. Mangels Alternativen hat er sich bereits für Vargas entschieden, „weil er die größten Chancen hat, die Colorados zu schlagen.“

Die Wahlprogramme der Konkurrenten Vargas und Laino unterscheiden sich nicht sonderlich voneinander. Beide haben sich den Kampf gegen Korruption auf die Fahnen geschrieben. Abgesehen von dem Filz nach 40 Jahren Machtmonopol der „Colorados“ ist die dunkle Vergangenheit der Diktatur kein Wahlkampfthema. Domingo Laino, der während der Stroessner-Diktatur (1954 – 1989) nach Brasilien ins Exil flüchtete, hat sein politisches Engagement als Widerstandskämpfer bisher keine Pluspunkte eingebracht.

Die sich abzeichnende Wahlniederlage der „Colorados“ am 9. Mai ist somit nicht auf die diktatorische Vergangenheit der Partei zurückzuführen. Vielmehr sind ihre Mitglieder hoffnungslos zerstritten. Erst im März schafften sie es, sich auf Juan Carlos Wasmosy als Präsidentschaftskandidaten zu einigen. Die Rache des unterlegenen Rivalen Luis Maria Argana ist bitter: Er hat seinen Anhängern verboten, für Wasmosy zu stimmen.

Die Opposition reibt sich angesichts der öffentlichen Selbstzerfleischung die Hände. Der überfällige Machtwechsel scheint unaufhaltbar. Nur noch ein Militärputsch könnte verhindern, daß die Opposition das politische Machtvakuum der „Colorados“ ausfüllt.