Ostbosnien: Zepa kurz vor dem Fall

■ Verstärkte serbische Offensive nach Ablehnung des Vance-Owen-Planes durch das bosnische Serbenparlament / Massenflucht in die Wälder / Bestürzung in Belgrad und Sarajevo

Zepa/Sarajevo/Belgrad (AFP/ taz) —Während der Oberbefehlshaber der UNO-Schutztruppen für Bosnien-Herzegowina, General Phillipe Morillion, die Einhaltung des „Waffenstillstandes“ in der seit Monaten belagerten muslimischen Enklave Srebrenica überprüfte, stand die umkämpfte ostbosnische Stadt Zepa am Donnerstag nachmittag kurz vor dem Fall.

Unter Bezug auf Amateurfunker meldete der Rundfunk der bosnischen Hauptstadt Sarajevo, der Widerstand der mehrheitlich muslimischen bosnischen Armee gegen die serbischen Angreifer sei aus Mangel an Waffen und Munition weitgehend zusammengebrochen. Unter ZivilistInnen im Kessel von Zepa sei eine Panik ausgebrochen, die rund 40.000 EinwohnerInnen und Flüchtlinge versuchten, in die nahegelegenen Wälder zu fliehen. Auch die verbleibenen Verteidiger versuchen nach Berichten aus Sarajevo und der kroatischen Hauptstadt Zagreb, sich nach mehr als 24 Stunden Dauerbeschuß durch die Artillerie der bosnischen SerbInnen zurückzuziehen. Fünf UN-Beobachtern, die in das Gebiet um Zapa einreisen wollten, wurden von serbischen Soldaten aufgehalten.

Trotz nominellem Waffenstillstand wurden auch die Städte Gradačac, Olovo, Maglaj und Kladnaj im Laufe des Donnerstag wiederholt von serbisch-bosnischen Truppen angegriffen. Nahe der Stadt Jablanica südwestlich von Sarajevo griffen Truppen der bosnischen „Kroatischen Kampf- Organisation“ HVO erneut Stellungen der bosnischen Armee an.

Das selbsternannte „Parlament“ der bosnischen SerbInnenIn hatte in der Nacht zum Donnerstag entgegen der Empfehlungen seines „Präsidenten“ Radovan Karadžić den Vance-Owen-Friedensplan für die ehemalige jugoslawische Republik erneut abgelehnt. Am Sonntag hatte Karadžić auf der Athener Bosnien-Konferenz überraschend den Plan des Vermittlerduos aus UNO und EG unterschrieben, eine endgültige Zusage aber von einem Beschluß seines „Parlamentes“ abhängig gemacht. 51 von 65 der nicht gewählten „Abgeordneten“ der Versammlung sprachen sich nach einem 17 stündigen Sitzungsmarathon im Hauptquartier der serbischen BosnierInnen in Pale nahe Sarajevo gegen den Plan aus, der eine Aufteilung Bosniens in 10 autonome Provinzen nach nationalem Proporz vorsieht.

Die Versammlung versändigte sich nach teilweise aggressiven Redebeiträgen und Drohungen gegen die Karadžić und andere Beführworter des Vance-Owen-Planes, die endgültige Entscheidung „dem serbischen Volk in Bosnien-Herzegowina“ zu übertragen. Am 15. und 16. Mai soll in den serbischen Gebieten des Landes ein Referendum über den Vance-Owen-Paln durchgeführt werden. Unklar bleibt, wie diese Volksbefragung unter den herrschenden Kriegbedinungen überhaupt durchgeführt werden kann. Seinen für den Fall einer Ablehnung angekündigten Rücktritt verschob Karadžić auf einen Zeitpunkt nach dem Referundum.

Die Präsidenten Serbiens und Jugoslawiens, Milošević und Ćosić nannten die erneute Ablehnung „eine historische Fehlentscheidung“. Ob die international nicht anerkannte „Bundesrepublik Jugoslawien“ ihre bisherige Unterstützung für die bosnischen SerbInnen nun einstellen wird, blieb allerdings weiterhin unklar. Während deren Rundfunk die Entscheidung von Pale als „großen Sieg“ feierte, waren die Reaktionen in der jugoslawischen Hauptstadt Belgrad von Bestürzung gekennzeichnet. „51 Männer haben das Schicksal von zehn Millionen besiegelt“, kommentierte der unabhänige Sender „B 92“ die Entscheidung von Pale.

In der bosnischen Hauptstadt Sarajevo, wo in der Nacht zum Mittwoch erneut mehrere Menschen durch serbische Heckenschützen ermodet worden waren, waren die Stimmen noch deutlicher. „Jetzt sind die Serben total verrückt geworden“, sagte der 26jährige Hamdija Pezo.