Grüne mit Verspätung in den Bundestag?

■ Sollte Hamburg auch die Bundestagswahlen wiederholen, sind die Chancen gut

Bonn (taz) – Der deutsche Bundestag ist falsch besetzt. Einige Sitze müßten an die Grünen abgegeben werden. Wieso? Welcher Sachverhalt ermutigt zu einer derart gewagten Aussage? Die Geschichte nimmt ihren Anfang in Hamburg. Dort, so stellte das Hamburger Verfassungsgericht am Dienstag klar, sind die Wahlen zur Bürgerschaft null und nichtig, Neuwahlen müssen so schnell wie möglich anberaumt werden. Die CDU hatte bei der Aufstellung ihrer Kandidaten gemauschelt und das darf nach Meinung der Verfassungsrichter nicht sein.

Was für Hamburg gilt, könnte auch für die Bundestagswahlen des Jahres 1990 gelten. Für diese Wahlen nämlich hat die Hamburger CDU nach den gleichen undemokratischen Machenschaften ihre Kandidaten nominiert. Konsequenz? Die Hamburger Beschwerdeführer aus der CDU sind auch vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gezogen (ein Verhandlungstermin steht jedoch noch nicht fest), um sich von den höchsten Richtern der Republik ebenfalls bestätigen zu lassen, daß für das Land Hamburg die Bundestagswahlen 1990 mit demokratischen Verhältnissen nicht in Einklang zu bringen sind und deshalb ebenfalls annuliert und wiederholt gehören.

Aber verharren wir nicht weiter bei der CDU, blicken wir lieber auf die Grünen (in Hamburg GAL), für die sich aus diesem Sachverhalt eine höchst interessante Perspektive ergeben könnte: Einzug in den deutschen Bundestag. Das ergibt ein nicht gerade einfaches, so aber dennoch durchaus nachvollziehbares Rechenexempel. Bei einer Wahlwiederholung für die Bundestagswahlen bräuchte die GAL – bei gleicher Wahlbeteiligung von 87,3 Prozent wie 1990 – 15,3 Prozent der Hamburger Zweitstimmen, um der Bundespartei einen verspäteten Einzug in den Bundestag zu sichern. Wie errechnet sich diese Zahl und hätten die GAL die Chance so viele Stimmen zu erzielen? Erste Voraussetzung wäre, daß bei einer Wahlwiederholung die gleichen Bedingungen wie 1990 gälten. Damals, unmittelbar nach der sogenannten Wiedervereinigung, genügten 5 Prozent der Stimmen bezogen auf das Gebiet der alten Bundesländer, um in den Bundestag einzuziehen. Mit 4.8 Prozent der Zweitstimmen verfehlten die Grünen diese Vorgabe knapp. Es fehlten ihnen insgesamt 93.110 Stimmen. Diese fehlenden Stimmen müßte die GAL bei einer Wahlwiederholung für Hamburg eben dort – zusätzlich zu den 56.906 Stimmen die sie in Hamburg erreichten – dazugewinnen. Auf den ersten Blick scheint das illusorisch, da sie mehr als das Doppelte zulegen müßten.

Die neuesten demoskopischen Errechnungen für Hamburg, gestern vom Hamburger Abendblatt veröffentlicht, ergeben allerdings, daß die Grünen augenblicklich 16 Prozent aller Stimmen erzielen würden – damit wären sie bei einer Wahlwiederholung im Bundestag. Bei diesen Zahlen ist allerdings nicht bedacht worden, wie ungeheuer „werbewirksam“ die Grünen auftreten könnten, wenn sie den HamburgerInnen die genaue Zahl der Stimmen angeben könnten, die sie bräuchten, um den Einzug ins deutsche Parlament feiern zu können. Welcher Zweifler würde da nicht – im Zweifel für die Grünen – seine Zweitstimme den zukünftigen Siegern geben? Julia Albrecht