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Wenn der Zahn raus muß, hilft kein Putzen

Ministerpräsident Max Streibls Haltbarkeitsdatum ist überschritten  ■ Aus München Thomas Pampuch

„Sagen Sie mir, was ich fragen soll – es fällt Ihnen leichter zu antworten.“ Die klassische Empfehlung für devote Journalisten scheint Max Streibel so gefallen zu haben, daß er sie jetzt als den angemessenen Ton im parlamentarischen Umgang mit Landesfürsten eingeführt hat. Brav haben am Mittwoch seine Schranzen im Parlament den Untersuchungsausschuß des bayerischen Landtags zu den Amigo-Connections des bayerischen Nochministerpräsidenten genau nach diesem Modell eingesetzt: nur keine unbequemen Fragen. Da konnte sich die Opposition nur noch überflüssig vorkommen. Konsequent zog sie aus dem Plenarsaal aus, und der Ausschuß wird nun erst mal nicht zusammentreten. Wozu auch?

Mit unbequemen Fragen und Antworten hat es derzeit die gesamte Führungsriege der CSU nicht so recht. Das gilt besonders für das Thema Streibl und damit letztlich für alle Fragen, die Zukunft des bayerischen Staatswesens betreffend. Von Stoiber bis Glück, von Waigel bis Gauweiler hält man sich in den oberen Etagen der Partei seit Monaten bedeckt bis zum Scheitel. Das will nicht heißen, daß nicht hinter den Kulissen gekungelt und gehakelt wird, daß es nur so kracht und brodelt. Nach außen aber dringt nur ein Blubbern, ein hurlyburly, wie es die Südddeutsche Zeitung mit Anleihe bei Macbeth launig nennt. Denn daß der schwarze Kessel unter Dampf steht, ist unüberhörbar. Gott sei Dank verfügt die CSU über genügend schwarze Schafe, die nach den Trögen der Macht gieren. Seit geraumer Zeit profilieren sich immer wieder untere Chargen der Staatspartei, indem sie mutig Streibl die Schönheiten des Rentnerdaseins ausmalen.

Staatspolitischen Beistand erhielten diese Aufmüpfer am Mittwoch von den Grünen, die die bayerische Verfassung studiert hatten und unter Artikel 44, Absatz 3 den schönen Satz gefunden hatten: „Der Ministerpräsident kann jederzeit von seinem Amt zurücktreten.“ Und Carmen König von der SPD konnte das Parlament mit einer kleinen Zitatensammlung der zumeist anonymen Königsmörder erfreuen. Schönste Perle der gesammelten rebellischen CSU-Weisheiten war sicherlich der Spruch: „Wenn der Zahn raus muß, hilft auch das Putzen nicht mehr.“ Auf eben dieses Putzen aber scheint man sich in Streibls engerer Umgebung geeinigt zu haben. Freilich steckt dahinter Methode. Wenn schon, dann will man in Bayern „a schene Leich“. Daß Streibl noch weit über das Pfingstfest hinaus im Amte bleibt, ist inzwischen mehr als fraglich. Erfahrene CSU-Kreml-Astrologen wollen bereits von einer Übereinkunft auf höchster Ebene wissen: Max Streibl sei zum Rücktritt bereit, aber nur zu seinen Bedingungen. Die aber sehen offenbar einen unheimlich starken Abgang vor. So wolle sich Streibl auf dem oberbayerischen Bezirksparteitag am 26. Juni noch einmal feiern und bestätigen lassen, um dann huldvoll abzutreten. Das Amüsant-Hinterfotzige daran: Wer Streibl loswerden will, muß ihm zujubeln. Wer ihn kritisiert, riskiert, daß der Alte bockig wird. Kein Wunder, daß es in der Partei grummelt. „Wir sind ja nur noch Kasperl“, klagte etwa ein Abgordneter, dem nicht einleuchten wollte, warum er für einen Ausschuß stimmen sollte, den jeder für eine Farce hält. In der ersten Reihe des Kasperletheaters ist allerdings die Frage wichtiger, wer demnächst die Pritsche übernimmt. Die besten Karten hat im Moment Edmund Stoiber. Die anderen Kandidaten, Theo Waigl und der Fraktionsvorsitzende Alfons Glück, warten noch auf den günstigsten Zeitpunkt zum Vorpreschen. Peter Gauweiler, eigentlich als Münchener OB-Kandidat ausgeguckt, läßt auf Verdacht mal die Muskeln spielen. Als Beweis seiner Tapferkeit hat er sich in einen Kampf zur Verhinderung des geplanten Münchener Alternativsenders Radio LORA gestürzt. Bei wem er sich damit beliebt machen will, ist unklar. In jedem Falle rüstet Bayern für die Zeit nach Streibl. Bei manchen Rebellen in der CSU hat die Aussicht, daß es bald vorbei ist, gar das verschüttete christlich-soziale Erbgut reaktiviert. So machten sich verschiedene Parteimitglieder bereits Sorgen, ob der Ministerpräsident und seine Familie die schwierige Situation auch heil überstehen werdenso Bemitleidete zeigte sich gestern jedoch durchaus saft- und kraftvoll. Anlaß dazu gab ihm die feierliche Eröffnung der neuen Staatskanzlei im Münchner Hofgarten. Der 250-Millionen-Bau, einst als „Straußoleum“ geplant und eines der umstrittensten Bauvorhaben Bayerns, soll unter dem inoffiziellen Titel „Maxburg“ noch lange vom segensreichen Wirken Streibls künden. Immerhin hatte Streibl bei seinem Regierungsantritt die Gigantomanie seines Vorgängers F.J. Strauß ein wenig heruntergefahren und auf die Seitenflügel des Baus verzichtet. Ende Mai zieht der Ministerpräsident, wie er betont, auf jeden Fall erst einmal ein. Wie lange er in seinem als „Brotzeitsüberl“ eingerichteten 58 Quadratmeter großen Arbeits- und Besuchszimmer noch sein Szepter schwingen wird, war dem wie gewohnt vor Leutseligkeit platzenden Landesvater natürlich nicht zu entlocken. Aber er hat ja auch niemandem gesagt, was und wie er fragen soll.

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