piwik no script img

Grüner Streit um Bosnien / Die dritte Runde eingeläutet

■ Landesvorstand debattierte Spendenaufruf / Verteilen Privatsache

Grüner Streit um Bosnien

Die dritte Runde eingeläutet

Landesvorstand debattierte Spendenaufruf / Verteilen Privatsache

Die Kontroversen innerhalb der Bremer Grünen um den Krieg auf dem Balkan gehen weiter. Nachdem eine politische Entscheidung zum Thema schon mehrfach vertagt worden ist, hat der Streit um Intervention oder nicht nun auch den Landesvorstand erreicht. In einer Sitzung des Vorstandes erklärten einige Mitglieder, sie würden sich nicht daran beteiligen, wenn das neue Flugblatt der Initiative „Frauen helfen Frauen“ verteilt werden solle. Immerhin ist das inkriminierte Blatt von Frauen unterschrieben, die nicht wenig politisches Gewicht im Land auf die Waage bringen: Sie reicht von der Grünen Marieluise Beck über die DGB-Vorsitzende Helga Ziegert und die SenatorInnen Gaertner und Trüpel bis hin zu Ute Wedemeier und der CDU- Abgeordneten Roswitha Erlenwein. Karin Krusche vom Grünen Landesvorstand steht auch darunter.

Sie hatte die Verteilung auch bei der Vorstandssitzung eingebracht, war aber damit auf heftigen Widerstand gestoßen. Der entzündete sich vor allem am emotionalen Tonfall des Textes und an einer Stelle, in der Marek Edelmann, der Überlebende des Warschauer- Getto-Aufstandes zitiert wird: Ihn erinnerten die Bilder aus Bosnien an Warschau. „Dagegen ist die Reaktion der internationalen Gemeinschft halbherzig und hilflos“, heißt es in dem Text weiter. Und die Kritiker fanden, daß das ein Plädoyer für eine militärische Intervention sei, und damit nicht ihre Linie.

Beim Landesvorstand versucht man, den Konflikt so niedrig wie möglich zu hängen: Es habe keine Abstimmung gegeben, es habe nur jeder seine persönliche Meinung gesagt. Und die ist zu der Frage so unterschiedlich, wie im Rest der Partei. „Ich persönlich kann das nicht verteilen“, meint Landesvorstandssprecher Arendt Hindricksen. „Der Vergleich mit Warschau verniedlicht das Getto.“ Und emotionale Texte führten nur dazu, daß die nötige kritische Distanz verloren gehe. „Wenn da steht, daß von Frankfurt aus ein LKW mit Leichentüchern nach Tuzla gestartet ist, damit die dort die Leute beerdigen können, dann hab ich damit Probleme.“

Ganz anders dagegen Karin Krusche: Sie hat zwar noch im Dezember auch eine Erklärung des Landesvorstandes gegen jede Intervention unterschrieben, doch das Flugblatt will sie trotzdem verteilen. „Ich hab da keine Probleme, und ich kann akzeptieren, daß die Meinungen an dem Punkt weit auseinandergehen“, meinte sie. Und das gelte auch für das Flugblatt: „Die einen werden es verteilen, die anderen beteiligen sich eben nicht.“

Daß die Bremer Grünen den Streit um Bosnien mit einer Entscheidung beilegen werden, das ist eher unwahrscheinlich. Einmal hat eine Landesmitgliederversammlung eine Abstimmung vertagt, und bei der folgenden Sitzung war das Thema nicht mehr drangekommen. Einen weiteren Anlauf zur Diskussion des Themas wird es vermutlich nicht geben. Das meint Vorstandssprecher Arendt Hindricksen: „Das Thema ist wahnsinnig weit hergeholt. Wir beschäftigen uns mit Fragen, bei denen wir gar nicht gefragt werden. Und wir werden von ganz anderen Leuten instrumentalisiert.“

J.G.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen