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Sieben Lehrer pro Quadratmeter

Ortsbesichtigung: Das IKEA-Einkaufsparadies in Spandau  ■ Von Detlef Kuhlbrodt

Die Sonne bringt einen auf die seltsamsten Gedanken. Nachdem man drei Jahre schon mürrisch seine Wohnung hat verfallen, verkommen und unfreundlich hat werden lassen, nachdem man geklagt hat über den traurigen Zustand der eigenen Wohnung, wütend gewettert hat über die sinnlosen Bestrebungen von Freunden, die ihre zu renovieren („Was besseres hat du wohl auch nicht zu tun“), erwischt es einen dann plötzlich selber.

Als Trottel kniet man wischend auf dem Küchenboden, beginnt die Fenster zu putzen (immer wieder, immer wieder, denn draußen wird ein Haus nach dem anderen abgerissen), führt den entnervend dröhnenden Staubsauger durch das Zimmer und stellt irgendwann fest, daß eigentlich alles grundfalsch eingerichtet ist. Scheußliche Sessel wandern auf die Straße und sind nach einer Nacht schon wieder verschwunden. Neue Möbel müssen her.

Der Frühling treibt einen hinaus nach Spandau, zu IKEA, dem Wunder- und „Family“-Land, in dem sich selbst die Einkaufswagenschieber mit ihren Chefs duzen müssen, dem Einkaufsparadies ergrauter Jugendbewegter. IKEA ist schrecklich. Wo schwarzgestrichene Preßholzjugendzimmer mit flimmernden MTV-Monitoren nur an keimfreie Depressionen denken lassen, wo „Björn“ und „Billy“ (auf vielfachen Wunsch) blöde vor sich hingrinsen, kommt jede Hoffnung zu spät.

Nirgends sonst auf der Welt trifft man mehr Lehrer pro Quadratmeter. Nur die abgestumpftesten Splatterfans freuen sich an den kleinfamiliären sozialdemokratischen Studienratsküchen. Affige Jungunternehmer setzen sich stolz auf die Chefsessel ihrer anvisierten Komplettbüros (DM 8450,-). Die eher unbequemen Besucherstühle vor dem Schreibtisch werden seltener getestet. Ein wenig Hierarchie muß ja sein. In der Kantine kauen Kleinfamilien lustlos auf Bleistiften und schwedischem Lachs. In solchen Betten möchte man nicht begraben sein.

Schlecht- oder – noch schlimmer – gutgelaunte Studienräte, Dozenten, Krankenschwestern oder Leute wie du und ich (zufällig!) versuchen, finster entschlossen ihr Geld auszugeben. Aus schierer Verzweiflung, die sowieso regelmäßig eintritt, wenn man länger als eine Viertelstunde in einem Kaufhaus verweilt, macht man mit. Verstört und zerfasert im Unglück, hat man das Gefühl, daß nur der die Hallen verlassen dürfe, der den Wärtern an der Kasse ein wenig Geld zukommen läßt. Es wird immer mehr, denn in dem Preis, der an dem leicht idiotisch wirkenden Unterschrank hängt, sind weder Türen, Türgriffe, Füße oder Abdeckplatten enthalten. Macht ja nichts.

Im Kinderkino schlagen sich die Kleinen plärrend die Köpfe ein. Greinend besteht eine Großmutter auf einen scheußlichen Sessel namens Agnes(?). Ein wenig Unglück muß sein; pervers ist jedoch, daß das lustige Möbelhaus aus Schweden – das in seinem Angebot übrigens längst auf die diversen Ledertrends reagiert hat – mit seinen protestantisch-masochistischen Mustern auch noch Reklame macht. Die Qualen des Kunden, der nach entnervenden Kauf-, Transport- und Umtauschvorgängen ratlos schwitzend auf dem Küchenboden vor unverständlichen Zusammenschraubanleitungen sitzt, sind in der teuflischen „Philosophie“ des Konzerns untrennbar verbunden mit einem fraglichen Wohnglück, das nach dem Zusammenbau winkt.

Die sadomasochistische Rechnung scheint aufzugehen. Und für die Qualen, die ihnen das freudlose Möbelhaus beschert, sind die Kunden (Studienräte) auch gerne bereit, etwas mehr auszugeben.

IKEA – Das schwedische Möbelhaus, Ruhlebener Straße 23, Spandau. Öffnungszeiten: Mo–Fr 9.00–18.30, Do bis 20.30 Uhr.

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