: Willkommene Verschnaufpause für Clinton
Nachdem Milošević die bosnischen Serben fallengelassen hat, ist der Druck auf die USA, in den Konflikt einzugreifen, gesunken / Innenpolitisch sind Clinton die Hände gebunden ■ Aus Washington Andrea Böhm
Es dürfte das erste Mal gewesen sein, daß die Clinton-Administration irgendeine Nachricht aus Belgrad mit einem Hauch von Erleichterung quittierte. Zwar gibt es wenig Anlaß, sich auf das Wort der Regierung Milośević zu verlassen. Doch deren Ankündigung, ab sofort bis auf Nahrungsmittel und Medikamente jeden Nachschub an die serbischen Verbündeten in Bosnien einzustellen, hat US-Präsident Bill Clinton noch einmal eine kleine Verschnaufpause in einer höchst prekären Situation verschafft.
Nachdem das Parlament der bosnischen Serben den Vance- Owen-Plan abgelehnt und damit Pläne der UNO zur Stationierung von rund 70.000 Soldaten in Bosnien im Rahmen einer peace-keeping-Mission vorerst zur Makulatur gemacht hat, stand Bill Clinton unter Zugzwang. Er hatte just für diesen Fall militärisches Eingreifen angedroht. Aufhebung des Waffenembargos, Ausstattung und Training muslimischer Truppen sowie Luftangriffe für den Fall, daß serbische Einheiten während dieser Phase versuchen sollten, die Militärlieferungen zu unterbinden oder ihre Eroberungszüge gegen muslimische Enklaven weiter fortzusetzen – so lautete bislang die offizielle Marschroute der Clinton- Administration nach einem Nein der serbischen Parlamentsvertreter in Bosnien.
Doch US-Außenminister Warren Christopher ist jetzt mit diesem Plan bei seinen Gesprächen mit EG-Außenministern, Nato-Generalsekretär Wörner und dem russischen Außenminister Andrej Kosyrew auf wenig Gegenliebe gestoßen. Zwar unterstützen sowohl die französische wie die britische Regierung, die eine größere Anzahl von Blauhelmen nach Bosnien entsandt haben, Luftangriffe auf serbische Ziele. Doch bislang sträubt man sich in Paris und London gegen die Aufhebung des Waffenembargos. Auch Lord Owen, Vermittler der EG und Mitautor des sogenannten Friedensplans, der sich inzwischen ebenfalls für Luftangriffe ausgesprochen hat, verwarf am Donnerstag im amerikanischen Fernsehen noch einmal den Vorschlag, die bosnische Armee zu bewaffnen: Dies würde den Konflikt nur weiter eskalieren.
In Washington hofft man, daß sich die europäischen Verbündeten früher oder später hinter die Pläne der Clinton-Administration stellen werden – und sei es „nur“, um tiefere Gräben in den transatlantischen Beziehungen zu vermeiden. Doch die sichtbaren Meinungsverschiedenheiten machen es für Clinton um so schwerer, den eigenen Landsleuten die Notwendigkeit einer Militärintervention in Bosnien klarzumachen. Laut Meinungsumfragen sehen über fünfzig Prozent der Amerikaner keine US-Verantwortung in dem Konflikt und folglich auch keinen Anlaß, im Balkan einzugreifen. Kongreßabgeordnete haben das Weiße Haus wiederholt gewarnt, daß sogar eine Stationierung von Friedenstruppen im Rahmen des Vance-Owen-Planes bei den Wählern höchst umstritten ist.
Im Unterscheid zum Einsatz der US-Armee in Somalia, dessen Dringlichkeit vor allem durch Fernsehbilder über die Hungersnot vermittelt wurde, ist die TV- Berichterstattung über das Schicksal der Zivilbevölkerung in Bosnien zurückgegangen. Vor allem aber gibt es im Gegensatz zur „Operation Restore Hope“ für einen Einsatz in Bosnien kein erkennbares politisches Ziel. Dieses zu formulieren und der amerikanischen Öffentlichkeit zu vermitteln dürfte eine der schwersten Aufgaben für Bill Clinton werden.
Sichtlich auf der Suche nach einem Strohhalm äußerte er am Donnerstag noch einmal die Hoffnung, die bosnischen Serben könnten es sich doch noch anders überlegen. Die Ankündung der Belgrader Regierung, die Verbündeten in Bosnien mit einem Embargo zu belegen, bezeichnete er als „guten Start“. Fest steht: Ohne Rückendeckung der Europäer, ohne UNO-Resolution und ohne Zustimmung des US-Kongresses kann Clinton nichts unternehmen, will er nicht innenpolitisch Kopf und Kragen riskieren.
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