■ Das Portrait
: Bosiljka Schedlich

Eigentlich wollte sie zurückkehren zur Philosophie, den russischen Dichtern, die sie so liebt. Statt dessen verbringt Bosiljka Schedlich ihre Tage und Nächte in ihrem Büro, als Leiterin des Zentrums „Süd-Ost-Europa- Kultur“ in Berlin. Das Telefon klingelt ständig, jemand holt eine Übersetzung ab, und eine bosnische Familie muß zum Arzt begleitet werden. Die 43jährige Bosiljka Schedlich bewahrt Gelassenheit und wählt ihre Worte sorgfältig: „Wenn die großen Völker jetzt dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien nur zusehen, sind sie Mittäter.“

Foto: Claudia Jeczawitz

Als Bosiljka Schedlich aus dem kleinen dalmatinischen Heimatdorf zu ihrem Vater nach Split zog, um dort zur Schule zu gehen, begann für sie, was sie ihr „Dazwischenstehen“ zwischen den Kulturen nennt. Gegen den Willen des Vaters besuchte sie das Gymnasium. Als sie auch noch studieren wollte, wurde es dem Vater zu bunt. Für ihn war Verkäuferin das höchste der Gefühle, fürs Studium gab es kein Geld.

Vierzehn Tage später saß die 19jährige mit einem Koffer voller Schulbücher im Bus nach Berlin. Das war 1969. Die Mutter einer Freundin hatte ihr vorgeschlagen, als Gastarbeiterin nach Deutschland zu gehen und sich das Geld fürs Studium selbst zu verdienen. In Berlin blieb Bosiljka Schedlich hängen. Hier studierte sie, verdiente sich den Lebensunterhalt als Dolmetscherin. Sie heiratete einen Berliner. Mit ihren beiden Kindern spricht sie nur serbokroatisch.

Als der Krieg begann, eröffnete sie zusammen mit Freunden das Zentrum – „als Bindeglied für die Völker des Balkans“. Die Arbeit ist durch die Hilfe für Kriegsflüchtlinge geprägt. „Die kommen aus einem intakten Leben, aus dem sie nie wegwollten. Und sie sind durch die Hölle gegangen. Sie müssen erst wieder leben lernen.“

Bosiljka Schedlich kennt die Geschichte all ihrer Besucher. Für die junge Frau, die wochenlang in einer riesigen Halle mit anderen vergewaltigt wurde und in Panik geriet, als sie in einer Turnhalle untergebracht werden sollte, besorgte sie einen Heimplatz. Mit dem bosnischen Lehrer, der nach seiner Befreiung aus einem Konzentrationslager zu trinken begann, will sie einen Literaturworkshop organisieren. „Ich kann die Geschichten dieser Menschen nur ertragen, wenn ich arbeite. Der Glaube, daß diese Zeit überwunden wird, ist mein Licht am Horizont.“ Corinna Raupach