"Ihr braucht eure Söhne nicht zu opfern"

■ Interview mit Fikret Cuskic und Ahmed Alagic, den Kommandeuren der 17. Brigade der bosnischen Armee / Bosnische Muslime fordern Waffen statt einer militärischen Intervention der UNO

Die 17. Brigade der bosnischen Armee ist eine Elitetruppe, die zur Zeit in der zentralbosnischen Stadt Travnik stationiert ist. Die rund 1.500 Mann, ehemalige Insassen von Konzentrationslagern und Flüchtlinge aus dem Raum Brčko und Prijedor, wurden unter ihrem Sitznamen „Mudschaheddin-Brigade“ bekannt. Die Brigade hat einen legendären Ruf, sowohl bei ihren Gegnern als auch bei den muslimischen Bosniern. Dieses Interview ist das erste, das einem ausländischen Journalisten gewährt wurde.

taz: Seit dem Massaker von Ahmići Ende April, wo 103 Dorfbewohner von kroatischen Truppen ermordet wurden, müssen Sie nicht nur gegen die serbischen, sondern auch gegen die kroatischen Bosnier ins Feld ziehen.

Fikret Ćuskić: Nein, unsere Brigade nicht. Wir wollen diesen Krieg im Kriege nicht. Als in der vorigen Woche auch hier in Travnik von seiten der kroatischen HVO auf uns geschossen wurde, verhielten wir uns ruhig. Inzwischen hat die „Kroatische Kampf- Organisation“ HVO in den Hügeln um die Stadt herum Positionen bezogen. Ihre Waffen sind auf uns gerichtet. Und das alles fünf Kilometer von der gemeinsamen Kampflinie gegenüber den serbischen Streitkräften entfernt. Wir wollen den Kampf mit den Kroaten nicht und hoffen noch auf eine gütliche Lösung.

Woran hat sich denn die Auseinandersetzung zwischen Muslimen und Kroaten entzündet?

Ahmed Alagić: Die kroatische Führung in der West-Herzegowina interpretiert den Vance-Owen- Friedensplan auf eine zu simple Weise. Sie fordert diese Gebiete hier in Mittelbosnien für ihren Staat, die „Kroatische Republik Herceg-Bosna“. Dieser Staat wurde bisher von niemandem anerkannt. Die Kroaten wollen dort einen Staat im Staate bauen. Und sie tun alles, um uns, ihre Bündnispartner, zu schädigen und zu verleumden. Ihre Kanonen sind auf Zenica und andere bosnische Städte gerichtet, das ist nicht akzeptabel. Wir wollen eine gleichberechtigte Beziehung, lassen uns aber nicht auf der Nase herumtanzen. Es sind Verhandlungen anberaumt, und wir tun alles, um die Spannungen zu mindern.

Trotz des angeblichen Drucks der Republik Serbien auf die bosnischen Serben greifen deren bewaffnete Einheiten an fast allen Fronten an. Der amerikanische Präsident Clinton hat über die Sanktionen gegen Serbien hinaus eine Militäraktion angedeutet. Wie denken Sie über eine mögliche Intervention?

Ahmed Alagić: Ich kann diese Entwicklung nur begrüßen, doch sage ich auch: Ihr braucht eure Söhne nicht für Bosnien zu opfern. Hebt endlich das völlig ungerechte Embargo gegenüber Bosnien- Herzegowina auf, wir haben ein Recht auf Verteidigung. Die Waffen unserer Brigade stammen direkt von den Tschetniks, wir haben sie ihnen abgenommen. Um Bosnien zu befreien, brauchen wir jedoch panzerbrechende Waffen, Flugabwehrgeschütze, Fahrzeuge und Panzer. Die Waffenlieferungen könnten flankiert werden durch Luftangriffe der Nato auf die serbischen Artilleriestellungen und Nachschubwege.

Viele westliche Politiker, aber nicht nur die, meinen, dann würde der Krieg erst recht angeheizt ...

Fikret Ćuskić: Wir wollten diesen Krieg nicht, er ist uns aufgezwungen, wir sind Opfer einer Aggression und eines Genozids, viele unserer Soldaten waren monatelang in Konzentrationslagern eingesperrt. Das serbische Parlament hat den Friedensplan abgelehnt und fährt mit der Aggression fort. Was soll noch passieren, damit endlich zu Taten geschritten wird? Wir sind keine Mörder, wie viele auf der Gegenseite. Jeder unserer Soldaten hat unterschrieben, niemals gegen die Zivilbevölkerung vorzugehen. Das ist unser Ehrenkodex. Wir wollen Bosnien vom Faschismus befreien, das ist alles. Alle bosnischen Bürger serbischer Nationalität, die sich nicht schuldig gemacht haben, werden auch in Zukunft ihren Platz in diesem Bosnien finden.

Viele serbische Bosnier fürchten, die Regierung des bosnischen Präsidenten Alija Izetbegović wolle einen islamischen Staat errichten.

Ahmed Alagić: Das ist Unsinn. Sehen Sie, sogar wir sogenannten Mudschaheddin trinken ab und an ein Bier. Wir sind Bosnier, Europäer, wir verteidigen Europa und wollen einen demokratischen Staat für alle, gleich welcher Religion. Interview: E. Rathfelder, Travnik