Frankfurts SPD leckt ihre Wunden

Die rot-grünen Koalitionsvereinbarungen in Frankfurt sind unter Dach und Fach / Dennoch Generalabrechnung mit den Machern bei SPD und Grünen  ■ Aus Frankfurt Klaus-Peter Klingelschmitt

Die rot-grünen Koalitionsvereinbarungen für Frankfurt am Main sind von den Verhandlungskommissionären unterzeichnet worden. Oberbürgermeister Andreas von Schoeler (SPD) bleibt im Amt. Und die Grünen haben die Muskeln spielen lassen: Ihr Frontmann Tom Koenigs wird Stadtkämmerer – und die Basis der Sozialdemokraten steht Kopf. Ex- Landesminister Armin Clauss (SPD) kündigte auf dem Parteitag der Frankfurter SPD am Wochenende in Nied demonstrativ an, dem Koalitionsvertrag nicht zustimmen zu wollen, denn die Besetzung der Schlüsselposition des Stadtkämmerers mit einem Grünen sei ein „zentraler politischer Fehler“.

Die Basis der Grünen probte schon vor Wochenfrist den Aufstand gegen die Königsmacher um Tom Koenigs und den neuen Umweltdezernenten Lutz Sikorski. Von „Entscheidungen im stillen Kämmerlein“ war da die Rede. Und von der „Entwicklung der Partei hin zu einer zentralistisch geführten Organisation“. Es war Dany Cohn-Bendit, der eine Debatte über den Umgang der Macher mit der Macht und der eigenen Partei anzettelte, die bis Mitternacht andauerte. Erst danach segnete die Basis die Personalentscheidungen der rot-grünen Verhandlungskommission ab: im Fall Tom Koenigs' mit überwältigender, im Fall Lutz Sikorskis mit knapper Mehrheit.

Weit heftiger stritten und streiten sich dagegen die Frankfurter Sozialdemokraten. Daß die Grünen noch vor dem Parteitag des Koalitionspartners selbstbewußt die eigenen Verhandlungserfolge herausgestrichen und im Gegenzug die SPD „mit Hochmut niedergemacht“ hätten, so ein Redner auf dem SPD-Parteitag, sorgte noch zusätzlich für böses Blut. „Bis zum Chaos geschwächt“ präsentiere sich die Frankfurter SPD, hatte Tom Koenigs vor dem Parteitag presseöffentlich erklärt – und sich danach für seine Äußerung entschuldigt. Deshalb stand vor allem Lutz Sikorski, der die „Zerschlagung der Stadtwerke“ und die „Trockenlegung des Sumpfes dort“ angekündigt hatte, in der Schußlinie der empörten sozialdemokratischen Basis. Der Ex- Fraktionsgeschäftsführer der Grünen, so etwa der Stadtverordnete Heinz Lietz, habe keinen Sitz im Magistrat verdient. Und deshalb werde er, wie Armin Clauss, gegen die Koalitionsvereinbarungen stimmen.

Oberbürgermeister von Schoeler und der am Sonnabend mit 178 der 275 Delegiertenstimmen wiedergewählte Kreisvorsitzende Sieghard Pawlik versuchten zu retten, was noch zu retten war: Der SPD bleibe in diesen Zeiten offenbar „nichts erspart“, meinte von Schoeler. Und deshalb dürfe sich die SPD in Frankfurt – „trotz der schmerzhaften Kräfteverschiebung“ zugunsten der Grünen – nicht länger selbst zerfleischen. „Zerfleischt“ wurde von den Delegierten dann aber Planungsdezernet Martin Wentz, dem die Basis mehrheitlich den Mißerfolg bei den Kommunalwahlen mit ankreidete. Der „hirnrissige Streit“ von Wentz mit dem sozialdemokratischen Landesminister Jordan um den Wohnungsbau und sein „erfolgloser, aber parteischädigender Einsatz“ für die Verlagerung des Schlachthofes hätten die SPD in Frankfurt in die schwerste Krise ihrer Geschichte getrieben. Die Quittung: Bei den Wahlen der Beisitzer beim Parteivorstand zog Wentz seine Kandidatur zurück, nachdem er im ersten Wahlgang nur 98 Stimmen bekommen hatte. Eine Entscheidung in Sachen Koalitionsvereinbarungen fiel vor Redaktionsschluß nicht mehr.

Daß es mit einer SPD mit dem Rücken zur Wand schwer sein wird, die Stadt zu regieren, haben inzwischen auch die Grünen erkannt. So klagte der Stadtverordnete Uli Bayer, es sei ein Fehler gewesen, die SPD so vorzuführen, wie das Koenigs und Sikorski in der vergangenen Woche getan hätten. Waidwund geschossene Elefantenbullen, das wußte schon Joschka Fischer, als er noch mit Börner koalierte, darf man nicht zusätzlich reizen – sonst greifen sie zur Dachlatte.