Vergnügliches Mediengrauen

■ Die Radiotrinkerin von Max Goldt hatte im Hamburger Malersaal Premiere

von Max Goldt hatte

im Hamburger Malersaal Premiere

Am Ende seiner Spielzeit hat der Interims-Schlesselmann seine Liebe für den Malersaal entdeckt. Nach dem Stillen Kind verabschiedet er sich nun mit einem Max-Goldt Potpourri: Ein bunter Reigen skurriler Alltags- und Medienszenen, die Regie-Assistent Henning Bock als erste eigene Produktion unter dem Titel Die Radiotrinkerin zusammenstellte. Er überträgt den besonderen Humor Goldts, der oft aus unspektakulären, genauen, sanft ins Absurde schweifende Beschreibungen unserer Alltagswelt besteht, in eine werktreue Inszenierung.

Als roter Faden, leider nicht ganz konsequent, zieht sich das Thema Medien, vornehmlich anhand von Radio- und Fernsehinterviews durch die Textauswahl. Bühnenbildner Lars Peter hat dafür eine abstrus-schöne Postkartenlandschaft mit TV-Signet erbaut, ein Fernsehstudio mit Seerosenteich, Störchen in Jeff Koons-Manier, Babys, Waschmaschinen, Riesenpilzen und natürlich furchtbaren Fernsehsesseln. Da Mißverständnisse in der Kunst nie auszuschließen sind, bleibt abzuwarten, ob sich nicht demnächst RTL um diese phantasievolle Kulisse bewirbt.

Im Zentrum steht das Gespräch mit der „Radiotrinkerin“. Im fast dunklen Studio mit blauem Zigarettendunst befragt der Journalist (Roland Kenda) die anonyme Dame mit dem ungewöhnlichen Beruf: Allwöchentlich betrinkt sie sich nächtens im Radiostudio bei laufender Sendung; eine Reality-Radio-Vision. Diese Sequenz lebt vor allem vom Text. Cordula Gerburg spielt die aufgezurrte Grande Dame mit rauchiger Stimme und klapperndem Metallgehänge am Arm eher vornehm zurückhaltend, zeigt ansatzweise das Gebaren von Talkshow- Teilnehmerinnen, wenn sie mit Wasserglas in der Hand den Alkoholkonsum verteidigt.

1Lebendiger inszenierte Bock die anderen Szenen: Marion Breckwoldt begeistert als verstörte Arbeiterdichterin, die von einer schnöseligen Interviewerin überrollt wird oder als Mädchen, das von ihren stets aufregenden Träumen berichtet und darin das persönliche Lebensglück findet. Besonders hinreißend spielt sie die „Hin-

1richtungshostess“ im Berufstip für Mädchen.

Ulrich Bähnck arbeitet in „Wie gut, daß ich Künstler bin“ die Anklänge des „Habe nun ach“-Faustmonologs gekonnt heraus und empfiehlt sich als perfekte Moderatoren-Karikatur im Interview mit Ruth Frau. Roland Kenda darf die Autobiografin spielen, ihm gelingt

1eine wunderbare Knef-Kopie.

Insgesamt ein sehr vergnüglicher, aber kein böser Abend, der über das Amusement hinaus nicht nur die Medienmechanismen, sondern auch das alltägliche Mediengrauen zur Schau stellt. Niels Grevsen

Weitere Vorstellungen: Mittwoch, Donnerstag, Freitag, jeweils 19.30 Uhr