Berliner Kissen und andere Schikanen

■ Bezirk Wilmersdorf läßt für 40.000 Mark Straßenerhöhungen zur Verkehrsberuhigung in der Xantener Straße rückbauen, obwohl die Rücknahme von Tempo 30 durch eine Klage erfolgreich verhindert wurde

Wilmersdorf. Wer mit 50 Sachen in die Xantener Straße brettert, wird – vorerst noch – sein blaues Wunder erleben. „Berliner Kissen“, eingebaute Erhöhungen in der Straße, lassen jeden, dem sein Spoiler oder Auspuff lieb ist, schnell auf das vorgeschriebene Tempo 30 abbremsen. Nur durch Fahrbahnverengung und -erhöhung meint Uwe Szelag (AL), ehemaliger Baustadtrat im Bezirk Wilmersdorf, könne man Autofahrer dazu zwingen, Tempolimits einzuhalten. Deswegen hatte er 1991 neben den Erhöhungen auch Blumenkübel und Poller gegen das Parken auf dem Gehweg installieren lassen. Letztere sind schon wieder verschwunden, und die Kissen sollen demnächst auch wieder für satte 40.000 Mark demontiert werden.

Dieses „Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“ im Bezirksamt Wilmersdorf, Abteilung Bau- und Wohnwesen, wird auf dem Rücken, oder besser gesagt den Gehwegen, der Anwohner ausgetragen. Anfang 1991 wurde die Xantener Straße im Zuge einer Tempolimitierung, die 80 Prozent aller Wilmersdorfer Straßen erfaßte, zur verkehrsberuhigten Zone. Die erneute Umwandlung in eine Tempo-50-Zone wurde durch eine Klage der „Bürgerinitiative Xantener Straße“ (BIX) verhindert. Die Senatsverkehrsverwaltung zog schon vor Beendigung des Verfahrens die Aufhebung des Tempo 30 zurück.

Jetzt soll es doch noch „freie Fahrt für freie Bürger“ heißen, jedenfalls will dies die Wilmersdorfer Bezirksverordnetenversammlung. Auf einen Antrag der CDU- Fraktion hin beschloß sie, die baulichen Maßnahmen mit einem immensen Kostenaufwand wieder zurückzunehmen. Im Bezirk Wilmersdorf scheint man nicht zu wissen, wohin mit dem Geld. Baustadtrat Dietrich Maes (CDU) sagte gegenüber der taz, er wüßte kein Projekt, in das er die 40.000 Mark anderweitig stecken sollte. Im Moment gebe es keinen Bedarf an weiteren Sicherheitsvorkehrungen im Straßenverkehr.

Die baupolitische Sprecherin der SPD-Fraktion in Wilmersdorf, Monica Schümer-Strucksberg, sieht denn auch in der Maßnahme einen „Racheakt und eine Trotzhaltung von CDU, FDP und Reps“. Dies sei der erste Fall von Rückeroberung „konservativer Pfründe“. Wie die BIX, in der sich Schümer-Strucksberg selbst engagiert, schließlich reagieren wird, werde noch beraten. Von einer Lahmlegung des Verkehrs in der Straße in Form einer Sitzblockade wolle man jedoch nicht Gebrauch machen.

Maes will von einem Racheakt nichts hören. Er habe selbst schon den Test gemacht und sei durch die Xantener Straße gefahren. „Die Fahrbahnaufpflasterungen sind doch reine Schikanen“, die Autofahrer fühlten sich eher provoziert und würden danach „erst recht Gas geben“. Und überhaupt könne man in dieser engen Straße gar nicht viel schneller als 30 fahren.

Dem widerspricht Szelag heftig. Bevor die „Berliner Kissen“ in die Straße gebaut worden seien, habe es zwei bis drei schwere Personenschäden jährlich gegeben. Das sei seitdem vorbei. Das Herausreißen der Fahrbahnerhöhungen sei eine Vorbereitung für die Wiedereinführung von Tempo 50. Denn „wenn erst wieder gerast werden kann, sind die Schilder mit Tempo 30 witzlos“. Jörg Welke