Schüsse beendeten das Ehemartyrium

■ 47jährige Raumpflegerin wegen Tötung ihres Mannes vor Gericht / Gebürtige Serbin berichtet von täglicher Gewalt

Moabit. Wieviel Verständnis darf eine einfache Frau erwarten, die sich nach jahrelangen Demütigungen offenbar nur durch mehrere Pistolenschüsse von ihrem gewalttätigen Ehemann befreien konnte? Seit gestern muß das Landgericht diese Frage beantworten. Vorgeworfen wird der 47jährigen Serbin Radosija T., am 4. August 1992 ihren drei Jahre älteren Ehemann Zika T. in der gemeinsamen Wohnung in Gropiusstadt getötet zu haben. Zuvor soll sie vergebens versucht haben, zwei Männer für eine Summe von 10.000 Mark anzustiften, ihren Gatten zu beseitigen.

Die untersetzte Angeklagte Radosija T., die ganz in Schwarz vor ihren Richtern erschien, sitzt seit dem Tattag in U-Haft. Das Geständnis, den Mann getötet zu haben, mit dem sie 30 Jahre verheiratet und 1970 nach Berlin gekommen war, fiel der Raumpflegerin offensichtlich schwer. Mal preßte sie mit ihren abgearbeiteten Händen ihr Taschentuch zusammen, mal faltete sie es auseinander, führte es zum Gesicht und wischte mit kreisenden Bewegungen den Schweiß von Stirn und Hals.

Zudem hörte die Roma-Verwandtschaft ihres Ehemannes – in der Mehrzahl Männer – im Saal zu und signalisierte mit Schnauben und Türenschlagen unmißverständlich, daß eine Roma-Frau in aller Öffentlichkeit nicht schlecht über ihren Gatten zu sprechen hat.

Ausführlich schilderte die Angeklagte das jahrelange Martyrium mit dem Mann, der sie, ihre Kinder und Enkel häufig „grün und blau geschlagen“ und mehrfach mit dem Tode bedroht habe. Einmal, dabei zeigte Radosija T. auf eine große Brandnarbe am rechten Arm, habe er ihr einen Kochtopf hinterhergeworfen. Sie allein habe mit ihrer Arbeit als Raumpflegerin die ganze Familie ernährt – den Mann, den Sohn und die bei ihr lebenden drei Enkel: „Ich habe Tag und Nacht gearbeitet, auch am Samstag und Sonntag“ – „Ich war seine Dienerin.“

Nicht genug damit, daß sich Zika T. ständig herumgetrieben habe, habe er vor fünf Jahren damit begonnen, andere Frauen mit nach Hause zu bringen und sich mit diesen vor ihren Augen sexuell vergnügt. Erst habe er mit der „65jährigen Hristiana ein Verhältnis gehabt“, die fortan mit in der Wohnung gelebt und sie herumkommandiert habe. Später habe er sich jüngeren Frauen zugewandt und auch Hristina geschlagen. Sie selbst, so die Angeklagte weiter, sei häufig aus der Wohnung geflüchtet und habe an ihrem Arbeitsplatz, im Treppenhaus oder im Auto übernachtet.

Sich an die Behörden zu wenden, habe sie sich nicht getraut. Auch eine Scheidung sei nicht in Frage gekommen, weil ihr Mann gedroht habe, sie dann umzubringen. Eigentlich habe sie warten wollen, bis die Enkel alt genug für eine eigene Aufenthaltsberechtigung seien. „Dann wäre ich verschwunden, um meinen Frieden zu finden.“ Als ihr Zika T. am Morgen des 4. August gedroht habe: „Heute wird dein Ende sein“, habe sie geschossen. Von ihrem Geständnis bei der Polizei, zuvor versucht zu haben, einen Killer zu finden, wollte sie gestern allerdings nichts mehr wissen. Der Prozeß wird am Mittwoch fortgesetzt. Plutonia Plarre