■ SPD-Frauen an den Fleischtöpfen der Macht
: Lullt sie ein!

Gerhard Schröder übte gerade, seinen verschlagenen Gesichtsausdruck in einen entschlossenen umzumassieren, Rudolf Scharping liebkoste seinen stimmensichernden Ost-Vollbart, Oskar Lafontaine unterstrich seine Wichtigkeit durch lautes Schweigen, und Johannes Rau spitzte Schneidezahn und Ellenbogen, als alle vier die Signale hörten. „Wir sind nicht mehr die Petersilie auf der männlichen Fleischplatte“, tönte es aufmüpfig schrill hoch vom Norden herunter. Schnapp, da schlossen sich die potentiellen Kandidatenohren, schnell weghören, die Sache ausklingen lassen. Doch als sie die Schotten wieder öffneten, hatte sich das Echo nicht nur verstärkt. Es hatte Nachahmerinnen auf den Plan gerufen in München und Bonn. Was Heide Simonis sofort zu einer zweiten Fleischbeschau nutzte: „Die Partei“, so diagnostizierte die zukünftige Ministerpräsidentin Schleswig-Holsteins, „ist wund wie rohes Fleisch.“ Da hilft kein Pudern mehr, kein Salben, ohne eine neue Haut ist der Braten rettungslos verloren. Eine echte Transplantation muß her, eine Erneuerung, wie sie die rote Heidi schon anno 1988 gefordert hatte. „Wer die menschliche Gesellschaft will, muß die männliche überwinden.“ Heute würde sich die Alt-68erin Heidi Wieczorek- Zeul, SPD-Präsidiumsmitglied, eher die Zunge abschneiden, als ähnlich deutliche Sätze zu wiederholen – und befindet sich damit in bester Gesellschaft: auch Heide Simonis und die ambitionierte Kohl-Herausforderin Renate Schmidt beteuern verdächtigerweise unablässig, in der Politik nicht grundsätzlich besser zu sein als Männer. „Sie sollen mich wegen meiner Leistung wollen, nicht, weil ich eine Frau bin“, sagt Simonis dem Spiegel. Wie ihre machtlustigen Kolleginnen auch haßt sie die „Quotenfrau“ als Synonym für Unfähigkeit. Auch streiten alle drei Spitzen-Sozialdemokratinnen intime Beziehung zur Frauenbewegung ab. Was ist nur los mit diesen Frauen? Die Forderung nach einem weiblichen Politikverständnis gar meidet das Weibertrio wie die Teufel das Weihwasser, schließlich möchte man die männlichen Wähler nicht vergraulen. Um Komplottängsten entgegenzuwirken, meiden die glorreichen Drei sogar den Kontakt untereinander. Mit Seilschaften männlicher Art wollen sie nun wirklich nicht in Verbindung gebracht werden. „Das einzige, was wir vielleicht anders machen, ist eine andere Sprache“, verspricht Schmidt und schaut treu. Das ist es, genau das. Lullt sie ein. Michaela Schießl