■ Japan und Norwegen wollen die Qual der Wale
: Von Jägern und Sammlern

Homo homini lupus, schrieb Thomas Hobbes. Etwas frei übersetzt, der Mensch ist dem Menschen ein Raubtier, ein Wolf. Der Mensch war historisch auch allen anderen Lebewesen ein Raubtier, wird man hinzufügen müssen, vor allem, wenn sich dieses andere Getier seinem absoluten Machtanspruch in den Weg stellt.

Die Jagd auf Wale, diese größten Tiere auf der Erde, hatte in alten Zeiten genau diese Symbolik. Sie war ein Kampf auf Biegen und Brechen mit dem Gewaltigen der Natur, die Natur sollte zum Untertan gemacht werden. Der Wal, dieses in aller Regel harmlose, dem Menschen völlig ungefährliche Lebewesen, mußte als Symbol für die Naturbeherrschung sterben.

Archaisch gesprochen: Was dem Massai sein Löwe und dem Inder sein Tiger, das war dem Norweger oder dem Japaner sein Wal. Nun befinden wir uns aber nicht mehr in archaischen Zeiten. Aus der rituellen Jagd der Menschen in ihren hölzernen Nußschalen auf den mitunter gleichgroßen Giganten ist dank moderner Technik ein maschinelles Schlachten geworden, das dem einst gefürchteten Gegner keine Chance mehr läßt. 98 Prozent aller Blauwale fielen diesem Abschlachten zum Opfer, über 90 Prozent aller Finnwale und drei Viertel aller Grönlandwale.

Bei diesem Abschlachten fielen ungeheure Fleischberge an. Daß diese Berge dann vor dreißig Jahren in Ländern wie Japan einer industriellen Verwertung zugeführt wurden, war, wenn man so will, ein Fortschritt, eine Frucht des späten Kapitalismus. Die Büffelherden in den amerikanischen Prärien wurden Ende des 19. Jahrhunderts von begeisterten Jagdgesellschaften einfach so zusammengeschossen, das Fleisch ließ man in den Great plains verrotten. Von den Kühlhäusern auf die Notwendigkeit weiteren Walfangs zu schließen, hieße dagegen Ursache und Wirkung verwechseln.

Mit Jagen und Sammeln allein könnte man die Weltbevölkerung einfach nicht ernähren. Züchten und die Äcker bestellen muß man schon. Bezogen auf unser Beispiel: Walfleisch wird nie Grundnahrungsmittel werden. Schon deshalb hinkt natürlich auch der Vergleich, den Japaner, Norweger und Isländer herbeizitieren: für sie sei der Verzehr von Walfleisch dasselbe, wie hierzulande der Verzehr von Eisbein.

Ökonomisch ist der Walfang also reichlich überflüssig. Als Symbol taugt er auch nicht mehr. Der Mensch, der zum Mond fliegt, braucht seine Naturbeherrschung jagend nicht mehr zu beweisen. Vielmehr muß er zeigen, daß er sich selbst beherrschen kann. Hermann-Josef Tenhagen