■ Mit Umweltverhandlungen auf du und du
: Nobelvorschlag

Ökosteuern sind überflüssig, da sich Umweltverpestung auch durch Verhandlungen zwischen Umweltverschmutzern und Geschädigten auf ein von beiden Seiten gewünschtes Niveau reduzieren läßt. Das ist die über dreißig Jahre alte Idee des britischen Wirtschaftswissenschaftlers Ronald Coase, der unter anderem dafür mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde.

Ein hoechstaktuelles Beispiel: Bei der Chemieproduktion des Frankfurter Konzerns entweicht umweltzerstörendes Gift. Geschädigt werden die AnwohnerInnen. Nach Coase könnten sich Hoechst und die Geschädigten an den Verhandlungstisch setzen, um über ein wirtschaftlich effizientes Verschmutzungsniveau zu diskutieren. Das Ergebnis könnte sein, daß Hoechst die AnwohnerInnen entschädigt. Eine gleichwertige Lösung wäre es aber auch, wenn die AnwohnerInnen dem Konzern bessere Sicherheitstechnologien bezahlen würden – diese Umdrehung des Verursacherprinzips ist das eigentlich neue an Coases Verhandlungslösung.

Dabei trifft der Nobelpreisträger zwei zentrale Annahmen: Die Eigentumsrechte an Luft, Wasser und Boden müßten genau definiert sein, und es darf keine Verhandlungskosten geben. An diesen Annahmen entzündete sich die Kritik. Tatsächlich ist häufig unklar, wem die verschmutzte Umwelt gehört. Doch dieses Problem scheint lösbar, wenn der Staat Eigentumsrechte festlegt. Größere Probleme bereitet jedoch, daß die Verhandlungskosten in der Realität hoch sind – Gutachten müssen eingeholt, Anwälte bezahlt, Verhandlungen organisiert werden. Mit der Anzahl der VerhandlungspartnerInnen und der Höhe des Streitwerts nehmen sie zu. Auch ist die Macht am Verhandlungstisch ungleich verteilt – ein finanzstarker Konzern und viele einkommensschwache Bürger.

Hinzu kommt der Informationsvorsprung der Hoechst- Manager: Nur sie wissen, wie hoch die Kosten für Sicherheitstechnologien sein werden. Andererseits wissen die Manager nicht, ob die Bürger ihre erlittenen Schäden nicht übertreiben – eine vertrackte Verhandlungssituation. Egal, ob nun die FrankfurterInnen entschädigt werden oder dem Hoechst-Konzern eine Finanzspritze für Sicherheitstechnologien verpassen: Vieles spricht dafür, daß sie von den Managern über den Tisch gezogen würden. Auch deshalb gelten Umweltsteuern als die überlegenere Lösung.

Die Coase-Idee scheint für den praktischen Umweltschutz wenig zu taugen. Allerdings stand Coase bei der Einführung des sogenannten Wasserpfennigs in Baden-Württemberg Pate. Dort zahlen die Wasserverbraucher eine Abgabe dafür, daß die Bauern das Grundwasser weniger stark mit Dünger belasten. Alexander Spermann

Teil 10 der dienstäglichen taz-Serie zu ökosteuern