Berlin 2010: Stau auf allen Hauptstraßen

■ Gutachten belegt, daß neue Ost-West-Straßen den Stau nicht auflösen werden

Berlin. Der geplante Aus- und Neubau von Ost-West-Straßen im zentralen Bereich wird den Kraftfahrzeugverkehr nicht flüssiger machen. Bis in das Jahr 2010 werden sich die Verhältnisse auf Berlins Straßen sogar sehr stark verschlechtern, wenn der Senat an seinen bisherigen Plänen festhält. Dieses Fazit ziehen drei Gutachterbüros, die Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) beauftragt hatte (siehe auch Montagsausgabe). Selbst wenn innerhalb des geplanten Straßenrings (Kanaluferstraßen, Oberbaumbrücke, Warschauer Straße, Dimitroffstraße, Invalidenstraße, Tiergartentunnel) vier Fünftel aller Wege mit Bus und Bahn erledigt würden, wären Straßen auf einer Länge von 2.000 Kilometer überlastet – mehr als zwei Drittel des gesamten Straßennetzes von 2900 Kilometern –, stellen die Experten fest. Auf dem Straßenring selbst werden im Durchschnitt 5.000 bis 7.000 Kraftfahrzeuge stündlich fahren – vier Spuren würden dem nicht genügen. Sämtliche Radialstraßen sind ebenfalls „stark belastet“. Die Gutachter raten dem Senator, die bisherigen Ziele beim öffentlichen Nahverkehr „im Hinblick auf eine noch stärkere Förderung“ zu überprüfen.

Die Umweltverwaltung bestätigte der taz, daß es bei den Planungen des Senats auch zu einer Luftverschlechterung kommen werde. Selbst wenn der Schadstoffausstoß am einzelnen Fahrzeug bis zu 70 Prozent gesenkt werden könnte, steige die Dieselrußbelastung auf den Ost-West-Straßen um ein Fünftel, Stickoxide um ein Viertel und das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) um vier Fünftel. Nur eine neue Katalysatortechnik, Benutzervorteile für schadstoffarme PKWs und über die EG-Anforderungen hinausgehende Verbesserungen an Nutzfahrzeugen könnten den Status quo wenigstens halten, sagte Adolf Mehring vom Referat für Luftreinhalteplanung.

Bedenke man bei den Prognosen den Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs, sagte Michael Cramer vom Bündnis 90/Grüne, werde sich der CO2-Ausstoß sogar mehr als verdoppeln. Das Energiekonzept von Umweltsenator Volker Hassemer (CDU) fordere dagegen die Reduzierung des Klimakillers um ein Viertel. Die Ost- West-Straßenverbindungen, die Bundesregierung und Senat Ende des Monats beschließen wollen, bezeichnete der verkehrspolitische Sprecher als „realitätsfern und absurd“. Dirk Wildt