Kids müssen "Bravo" lesen

■ "Blickpunkt", die älteste Jugendzeitschrift der Bundesrepublik, ist nicht mehr...

Blickpunkt ist eingestellt. Die linksorientierte Westberliner Jugendzeitschrift war die älteste ihrer Art in der Bundesrepublik: Sie war länger auf dem Markt als das gewerkschaftliche Jugendmagazin 'ran oder die kommerzielle Bravo. Sie hatte in besten Zeiten eine Auflage von bis zu 15.000, zuletzt lag sie bei 10.000. Alle Anträge auf Förderung durch die Länder Berlin und Brandenburg waren gescheitert, nachdem der Sonderplan Berlin, der Blickpunkt jährlich mit 300.000 Mark gefördert hatte, nach der Vereinigung eingestellt worden war. Ende 1992 stieg auch der Berliner Landesjugendring als Herausgeber aus.

„So eine Zeitschrift wie unsere gibt es sonst nicht“, klagt Bernd Wagner, Vorsitzender des Berlin- Brandenburger Bildungswerks e.V. (BBBW), der den letzten Blickpunkt aus Spenden finanzierte. „Wir haben Jugendliche über politische Hintergründe informiert, ohne zuviel vorauszusetzen. Das wird jetzt fehlen.“ Seit 1951 hatte Blickpunkt von der deutschen Wiederaufrüstung über den Prager Frühling bis zur Pershingdebatte berichtet. Zu den freien Autoren der Zeitschrift gehören der Satiriker Martin Buchholz, Ex-Admiral Elmar Schmähling und der frühere Berliner Polizeiprädident Klaus Hübner.

Anfang der 80er Jahre kam es um den Blickpunkt zu heftigen Kontroversen: Die damalige CDU-Jugendsenatorin Hanna- Renate Laurien (die von dem Magazin in Nonnenkleidung und mit einem Prügel in der Hand abgebildet worden war) forderte das Bonner Jugendministerium auf, die Förderung durch den Bundesjugendplan zu streichen.

Schon 1990 brachte das Magazin ein Schwerpunktheft über Rechtsextremismus heraus. Dieses Thema ist auch Titelgeschichte der letzten Nummer, die in Berichten und Reportagen über die aktuelle Entwicklung in Ostdeutschland sowie über Nationalismus in Rußland, Rumänien und Kroatien informiert. „Gerade in den neuen Bundesländern, wo sich die Sprachlosigkeit in Gewalt entlädt, wäre Blickpunkt wichtig“, sagt Wagner. „Da sind die Jugendlichen doch auch frustriert, weil sie nicht in den politischen Diskurs eingebaut werden.“

Das neue Konzept, das die langjährige und einzige Redakteurin Sabine Pahlke-Grygier und das BBBW zusammen entwickelt hatten, richtete sich denn auch gezielt an Jugendliche in Ostdeutschland. Geplant waren sechs Ausgaben pro Jahr mit einem überregionalen Mantel und regionalen Beilagen. „Die Zeitschrift sollte nicht Westberlin-lastig bleiben“, erklärt Sabine Pahlke-Grygier. Aus Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen habe man ein positives Echo erhalten, nicht aber aus Berlin und Brandenburg. „Wir haben dafür kein Geld. Warum sollen wir 4.000 Abonnenten subventionieren, wenn wir dann ein anderes Jugenprojekt fallen lassen müßten?“ sagt Thorsten Schilling von der Verwaltung für Jugend und Familie des SPD-Senators Thomas Krüger. Bernd Wagner meint dagegen, Blickpunkt habe „kontinuierlich Jugendarbeit geboten“, und das sei wichtiger als kurzlebige Projekte. Der Autorenstamm der Zeitschrift will auch weiterhin zusammenarbeiten und Sachbücher für Jugendliche veröffentlichen. Miriam Hoffmeyer