Von Knien, Brüsten und Betroffenen

■ Der neue Film des Hamburger Regisseurs Hendrik Peschel "Am Scheideweg" ist am Samstag im Lichtmeß-Kino zu sehen: Ein gelungener und kritischer Kommentar zur TV-Lebenshilfe und anderen Talkshows

ist am Samstag im Lichtmeß-Kino zu sehen: Ein gelungener und kritischer Kommentar zur TV-Lebenshilfe und anderen Talkshows

Eine typische Talk-Show mit garantierter Lebenshilfe, das ist Am Scheidewege. Der Film kommt mit einer Kameraeinstellung aus, präsentiert eine Moderatorin zur Linken, eine Psychologin und deren Kollegen zur Rechten. Dazwischen klemmen in vier Episoden die Gäste: Menschen, die kurz vor wichtigen Entscheidungen stehen und die Zeit gefunden haben, eine persönliche Stellungnahme abzugeben. Die „Betroffenen“ berichten von den Zwickmühlen, in die das Schicksal

1sie mit seiner ganzen konfliktstoffgeladenen Kraft geworfen hat.

Die Fachleute in Am Scheidewege geben sich verständnisvoll bis über den Tabubruch hinaus und entscheidungsfreudig bis zur aktiven Sterbehilfe hin. Mit einer berufstypischen Mischung aus Freundlichkeit und Desinteresse, Emsigkeit und Rücksichtslosigkeit reden sie mit ihren Gästen: Ärzte sprechen von ihren Patienten, die fraglos eine Biographie vorzuweisen haben, einfach bloß als von „der

1Lunge“ oder „dem Knie“.

Ähnlich verkürzend geht das Talk-Team in Am Scheidewege auf das Drama eines Mitmenschen ein: Von seinem „Fall“ zwackt es den Stoff für die Sendung ab. Während Psychologinnen und Moderatorin sich absprechen, versteht der Gast nicht mehr, um was es geht, fühlt sich hinterher aber besser. Die Entscheidung zwischen zwei Frauen, zwischen Jugendkulturen sowie für oder gegen den Beischlaf mit der eigenen Mutter treffen Leute, deren Entscheidungskriterien gleichermaßen anerkannt wie nicht nachvollziehbar erscheinen.

Für die Rollen dieser kompetenten Charaktermasken verpflichtete Peschel sieben Laienschauspieler und -spielerinnen, deren Leistungen zusammengenommen ein gesamtdeutsches Profil ergeben. Das Konzept für Am Scheidewege erarbeitete der durch seine Rollo-Filme bekanntgewordene Hamburger Regisseur Hendrik Peschel mit ihnen zusammen. Die Filmausrüstung lieh sich Peschels Stab von den Betreibern des Offenen Kanals, die auch eines ihrer Studios als Drehort zur Verfügung stellten.

Am Scheidewege vermittelt, daß es nicht um immer die gleichen Inhalte geht, sondern um immer dieselbe Alternative: Eigenverantwortung übernehmen birgt Unglück. Verantwortung delegieren dagegen bedeutet in Am Scheidewege einen Kummerkasten zu finden, Geschenke zu kriegen, eine eigene

1Gerichtsbarkeit zu erhalten und sich unter die väterliche Fuchtel oder an die mütterliche Brust zurückzusehnen. Beim Talk im Tollhaus geht man zuvorkommend miteinander um. Kristof Schreuf

Am Samstag im Lichtmeß-Kino um 21 Uhr, im Juni auf dem offenen Kanal