Spratz!

■ Anti-Tauben-Strategien sind zahlreich, teuer und nutzlos, und Füttern ist unverbietbar

Spratz!

Anti-Tauben-Strategien sind zahlreich, teuer und nutzlos, und Füttern ist unverbietbar

Helmuth Moltke, „von einem unbekannten Bremer“ in Stein gehauen und an der Liebfrauenkirche angebracht, geht's beschissen: die Tauben lieben seinen Aussichtskopf. Zwischendurch lieben sie auch die unter Menschen unbeliebten Brötchen von Kiefert. Dann wieder lieben sie sich untereinander und bekommen zuerst viele taubeneiergroße Taubeneier, dann viele Küken. Die lieben Helmuth Moltke.

Wo die Taubenfrage gestellt wird, geht es schnell hoch her. Kein Wunder bei einem Vogel, der doch so viel mehr ist als die gemeine ausgewilderte Haustaube. Vom Symbol für den Heiligen Geist bis zur „Ratte der Lüfte“, von der Friedenstaube bis zum salmonellenverseuchten Krankheitsherd — wer Taube sagt, muß dazusagen, welche er meint.

Stadtväter meinen meist die eine: die Produzentin von Taubenkot. In einer Stadt wie Bremen fallen auf den Kopf eines jeden Einwohners — rein statistisch gesehen — 50 Gramm Taubendreck im Jahr. Das gilt auch für Kleinkinder und Omas. Damit ist schon der Personenkreis umschrieben, der den Stadtvätern die meisten Sorgen macht: Kinder und Alte lieben die Tauben, und zwar am meisten, wenn sie in Scharen kommen und altes Brot und Körner picken.

Fiele der Taubenkot nur auf Köpfe, könnte man sich auf den Standpunkt stellen, „das bringt Glück“ und das Problem vergessen. So sieht das Hermann Pape, Rathaussprecher, und weist darauf hin, daß seine Betroffenheit mitnichten von Rathaustauben her stammt — ihn ereilte es am Bahnhof (mehrfach). Aber schon auf dem Jackett kommt es zu ärgerlichen, nicht wiedergutzumachenden Flecken. Meist jedoch lassen die Tauben die ätzenden Substanzen da fallen, wo sie nisten — auf den Sandstein des Bremer Doms zum Beispiel. Hier wiegelt Domküster Meier ab: Der am Dom verbaute „Porta“-Sandstein sei bei weitem nicht so empfindlich wie etwa die Substanz des Kölner Doms. Andere Lieblingsziele: die Renaissancefassade des Rathauses — und besonders die Bahnsteige der Bundesbahn.

Der Bremer Bahnhof hat schon etliches versucht, die Tauben loszuwerden — ohne Erfolg. Schriller Ultraschall störte sie nur vorübergehend. Eine „Anti-Baby-Pille“ scheiterte an den Tierschützern wegen der Dosierungsprobleme — überdosierte Tauben könnten Schaden nehmen. Netze verwittern und — Tierschutz! — Tauben könnten sich verfangen. Ganz Schlaue hatten das Rathaus in den 60ern an kritischen Punkten mit einer schwabbeligen Silikonmasse beschmiert, auf welcher Tauben nicht gern landen. Leider wurde das Zeug bald hart. Als Nebenwirkung blieben ebenfalls häßliche Flecken im Stein zurück; diese sind nicht zu entfernen.

Niederlagen auch in Berlin: dort wurden Tauben mit Futter in extra eingerichtete Nisthäuser gelockt, um die Eier dann gegen Porzellaneier auszutauschen. Das Problem: Ansässige Tauben gingen da nicht rein, Umlandtauben wurden angezogen. Im Bremer Bahnhof plant man jetzt eine aufwendige Bespannung des gesamten Dachs mit Edelstahlschnüren. Nämliches empfielt auch die Umweltbehörde verzweifelten BalkonbesitzerInnen. Dr. Brand, Veterinärmediziner, rät immer zu „federnden Drähten“.

Unter dem Aspekt, daß gefütterte Tauben bis zu sieben mal jährlich brüten, läge ein innerstädtisches Fütterverbot nahe. Doch ein Mitarbeiter des Stadtamtes sieht schon voraus, daß die Bremer Polizei da nicht mitmacht — sie will keine fütternde Oma mit Bußgeld belegen. Die Ultima Ratio, von Georg Kreisler in seinem Lied „Gehn wir Tauben vergiften im Park“ angedeutet, wird allenfalls in so polternden Metropolen wie München diskutiert, in Bremen ist Blausäure laut Umweltressort „kein Thema“.

Was bleibt, ist Wasser. Für verätze Fassaden und ruinierte Trenchcoats. Der Bremer Bahnhof (Haftung übernehmen wir nicht, es handelt sich um eine Schenkung von oben“) bietet folgenden Taubenschiß-Service: einmal Lappen und Leitungswasser. Ansonsten wartet man auf Eierdiebe wie Elstern, Krähen und Dohlen oder auf die nächste Trichomonadeninfektion unter den Tauben — vor zwei Monaten erst tobte die letzte in Bremen, die die Bestände (ungerechterweise) in Horn und Oberneuland dezimierte. Bus