Weichenstellung für Berlins Zukunft

■ Senator stellt Flächennutzungsplan vor / Festlegung von 20 Jahren Stadtplanung / Bürger dürfen vier Wochen mitreden

Berlin. Vier Wochen, die über Berlins Zukunft bestimmen werden – bis Mitte kommenden Monats haben die Berliner die Möglichkeit, Einwände gegen den Entwurf des Flächennutzungsplans (FNP) geltend zu machen. Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer (CDU) stellte gestern die Karte – eine Art überdimensionierter Stadtplan – der Öffentlichkeit vor, mit der für die kommenden 15 bis 20 Jahre die Ansiedlung von Industrie, Gewerbe und Wohnraum sowie die Verkehrsführung und Grünbereiche weitgehend festgelegt werden. Die Detailpläne werden in der Friedrichstraße ausgestellt (Ort und Zeit siehe unten).

Bei der Planung von Berlins Zukunft geht die Stadtentwicklungsverwaltung davon aus, daß die Berliner Bevölkerung bis zum Jahr 2010 nur geringfügig wächst: Die heutige Einwohnerzahl von 3,4 Millionen wird nur deshalb auf 3,7 Millionen steigen, weil geschätzte 300.000 Menschen zuziehen werden. Der Bestand der Wohnungen soll von 1,7 Millionen auf zwei Millionen erhöht werden. Weil durch Abriß, Umstrukturierungen und Zweckentfremdung 100.000 Wohnungen verlorengehen werden, sollen insgesamt 400.000 Wohnungen neu gebaut werden. Insgesamt werden die zusätzlich entstehenden Arbeitsplätze auf nur 150.000 geschätzt – fast ausschließlich im Dienstleistungs- und Bürobereich. Das Angebot an Büroflächen von derzeit zwölf Millionen Quadratmetern Bruttogeschoßfläche soll dennoch nahezu verdoppelt werden. Entwicklungsschwerpunkt ist der Ostteil der Stadt, sagte Senator Hassemer. Erweiterungsflächen für mehrere 10.000 Wohnungen befinden sich mit den Gebieten Buchholz/Buch und Karow/Blankenburg im Nordosten Berlins. Neue Straßen – teilweise Autobahnen in Tunnellage – sollen vor allem im Nordosten, Osten und Südosten gebaut werden.

Ökologen: Siedlungsbrei und Grünvernichtung

Der gestern vorgestellte Entwurf des Flächennutzungsplans – für Westberlin zuletzt nach fünfjähriger Diskussion 1988 beschlossen, für Ostberlin in diesem Jahr erstmals aufgestellt – soll Ende 1994 vom Abgeordnetenhaus beschlossen werden. Der Plan ist am Wochenende den großen Berliner Tageszeitungen beigelegt. Die Einwände der Öffentlichkeit sollen nach Hassemers Zeitplan bereits diesen Juli ausgewertet werden.

Der Senator selbst lobte gestern den Entwurf. Es bleibe bei einem grünen Berlin, die Kleingartenflächen seien gesichert, die Anforderung einer Mischung von Arbeiten, Wohnen und Freizeit erfüllt sowie die partnerschaftliche Entwicklung mit Brandenburg gewährleistet.

Von Umweltverbänden und -politikern kam gestern dagegen heftige Kritik. Der umweltpolitische Sprecher des Bündnis 90/ Grüne, Hartwig Berger, bezeichnete die auf vier Wochen festgelegte Bürgerbeteiligung als Zeichen für ein „gering entwickeltes Demokratieverständnis“. Inhaltlich weise der FNP schwere Mängel auf, wie etwa ein kaum gebremster Bau von Gebäuden und eine Grünvernichtung in „nicht erträglichem Ausmaß“. Das Wohnungsbauprogramm sei völlig überzogen. Im Nordosten, befürchtet Berger, werde ein Siedlungsbrei entstehen. Die „Initiative für einen grünen FNP“ – ein Zusammenschluß von zwölf Verbänden und Initiativen (unter anderem BUND und VCD) – rügte die „Unmenge“ von Straßenbauprojekten. An Einzelvorhaben kritisierten sie die Müllverwertungsanlage in Pankow und den Großhafen am Teltow-Britzer-Zweigkanal. Die Initiative fordert, die Zeit der Bürgerbeiteiligung mindestens bis nach der Entscheidung über die Olympiabewerbung zu verlängern. Dirk Wildt

Ausstellung zum Flächennutzungsplan, Friedrichstraße 104, bis 17.Juni, Montag bis Freitag 11 bis 19 Uhr, Donnerstag bis 20 Uhr, Samstag bis 14 Uhr. Fachleute stehen für Fragen zur Verfügung.