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■ Von der Einsamkeit toter WeltrevolutionäreDa hilft kein Jammern und kein Beten

Frankfurt/Main (taz) – Vor einer Woche hätten sie seinen 175. Geburtstag gefeiert: die Spitzenpolitiker der realsozialistischen Bruderländer – und die Spitzenpolitiker der kommunistischen Parteien in aller Welt. Rote Fähnchen schwingend, wären die Delegationen aus der Sowjetunion, der DDR und Rumänien, aus Polen, Angola und dem DKP-Headquarter in Westdeutschland durch ein Haus in Trier gezogen, um dem „Erfinder“ der Weltrevolution die Reverenz zu erweisen: Alles ancient history. Ehre für Karl Marx zum 175. Jubeltag am 5. Mai 1993? „Aus und vorbei, da hilft auch kein Jammern, kein Beten, kein Trick“ (Degenhardt).

„Wir hatten kaum mehr Besucher als an ganz normalen Tagen“, sagte die Angestellte der Friedrich-Ebert-Stiftung, die im Geburtshaus von Karl Marx an der Kasse sitzt, achselzuckend. Sie verweist auf die Fotos an den Wänden: Erich Ollenhauer bei Marx, Willy Brandt bei Marx, Erich Honecker bei Marx – und Chinesen und Afrikaner beim Händeschütteln vor den Portraits und Büsten des Altmeisters. „Sozialisten und Kommunisten aus allen fünf Kontinenten“ seien hier früher aufmarschiert. Doch heute, „an seinem Ehrentag“, hätten nur noch ein paar japanische Touristen den Weg in die Altstadt gefunden: „Porta Nigra und Marx – das steht bei denen im Reiseführer.“

Die Stadtväter von Trier, die sich vor dem Zusammenbruch der Regimes im Osten gerne mit den rosaroten Panthern mit den stumpfen Krallen fotografieren ließen, schämen sich heute dafür, daß olle Marx innerhalb der Mauern ihrer 2000 Jahre alten Kommune das Licht der Welt erblickte: Keine Tage der Commune – keine offizielle Marx-Feierei, keine Marx- Briefmarke, keine Sonderauslagen in den Buchhandlungen. Und auch der im Rennen um Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur bei der SPD mitlaufende Ministerpräsident Rudolf Scharping, der am 5.Mai Trier besuchte, machte um das Marx-Haus einen großen Bogen. Man(n) ist schließlich Enkel von Brandt, und nicht von Karl Marx – auch wenn der bei Juso- Chef Scharping vor knapp 20 Jahren noch an der Wand hing.

Tote und gescheiterte Weltrevolutionäre sind heute einsam: In Marxens Gärtlein sitzt ein alter Kommunist mit Baskenmütze in der Frühlingssonne auf der Bank. Und im zweiten Stock hat sich ein Rentner aus Trier im „Kommunistischen Manifest“ festgelesen. Die einzige Hommage der hausverwaltenden und SPD-nahen Ebert-Stiftung an Marx an seinem „Ehrentag“ war – freier Eintritt für alle.

Einer war doch gekommen, zu den inoffiziellen links-alternativen Marx-Wochen der Trierer Szene. Gregor Gysi, Ex-PDS-Parteichef und MdB. Das freute den Leiter des Museums klammheimlich. Und Freude auch darüber, daß der ganze „ideologische Ballast“ in der Marx-Forschung endlich über Bord gegangen ist und die Archive offenstehen: „Marx in seiner Zeit sehen – als historische Figur.“ Und dann bleibe an tauglicher Ideologie für die aktuelle Gestaltung der Zeitgeschichte ohnehin nicht mehr viel übrig. Und warum war am Geburtstag keine Delegation aus Kuba da? Denen fehle heute offenbar das Geld aus Moskau und Ostberlin, um so weite Reisen machen zu können, mutmaßte die resolute Frau an der Kasse, die auch Marx-Webteppiche aus China verkauft. Wenn man in Havanna nur gewußt hätte, daß der Eintritt frei war – an Marxens Geburtstag. kpk

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