Vorfreude auf die deutsche Gründlichkeit

■ Der Ort Belet Uen ist von kanadischen Blauhelmen „befriedet“ worden, doch unter der Oberfläche brodeln die Konflikte zwischen den somalischen Klans weiter

Mit der Ankunft der Bundeswehr in Somalia verbinden sich in den Augen vieler führender Somalis Wohlstand und Aufschwung. „Wenn ich ein Bataillon hierherbekomme, werden die Soldaten Straßen und Brücken bauen und ein Kommunikationsnetz installieren“, freute sich General Abshir Musse, der die nordöstliche Hafenstadt Bosaso kontrolliert. Nach Bosaso wollte Bonn die deutschen Soldaten ursprünglich schicken. Dann aber kamen bei der UNO Bedenken auf: Da dort keine anderen UNO-Truppen stationiert sind, wären die Deutschen im Falle von Unruhen zum Kampfeinsatz gezwungen worden.

Nun reisen die ersten Bundeswehrangehörigen in den Ort Belet Uen, nordwestlich von Mogadischu, der in den letzten Monaten von kanadischen Truppen „befriedet“ wurde. Die Kleinstadt war schon 1990, vor dem Ausbruch der schweren Kämpfe in der Hauptstadt Mogadischu, die zum Sturz des Diktators Siad Barre führten, Schauplatz schwerer Kämpfe zwischen den damaligen Regierungstruppen und der Widerstandsbewegung „Vereinigter Somalischer Kongreß“ (USC) gewesen: Siad Barre hatte dort eine große Militärbasis. USC-Militärführer General Aidid reklamiert heute die Gegend als seinen Herrschaftsbereich. Doch die einheimischen Clans der Hawardle und der Guganbadle stehen ihm voller Mißtrauen gegenüber. Gegenwärtig sind sie mit Aidid, wie es ein Mitarbeiter einer ausländischen Hilfsorganisation formuliert, ein „unbehagliches Bündnis“ eingegangen.

Im Schmelztiegel Mogadischu, wo feindliche Gruppierungen miteinander leben und die Einflußbereiche der verschiedenen Clans nicht sehr genau abgesteckt sind, hat die UNO mit dem Dschungel widerstreitender Herrschaftsansprüche kein Problem, Absprachen der UNO mit lokalen Behörden sind kaum erforderlich. In den kleineren Städten Somalias, in denen UNO-Truppen stationiert sind, zementiert deren Präsenz dagegen die Fakten, die der Bürgerkrieg geschaffen hat. Zu offenen Konflikten kommt es zumeist dank der ausländischen Präsenz nicht – unter der Oberfläche aber brodeln sie weiter. In der Nähe von Belet Uen soll es die größte Konzentration von Waffen in Somalia geben. Verschiedene Bürgerkriegsfraktionen hatten vor wenigen Monaten ihr Militärgerät in Gebiete geschafft, die nicht von ausländischen Truppen besetzt sind.

Belet Uen selbst ist ruhig. Die kanadischen Soldaten haben zwei Schulen gebaut. Wird auch die Bundeswehr die Infrastruktur des Ortes verbessern? „Wenn die Bundeswehr hier vor allem beim Wiederaufbau helfen soll, dann verwischen sich allmählich die Grenzen zwischen Hilfsorganisationen und Militär“, meint ein Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks (THW), einer zivilen Bundesanstalt, von der derzeit 100 Freiwillige an verschiedenen Hilfsprojekten in Somalia mitarbeiten. „Das verändert das Bild des Militärs in der Öffentlichkeit, was ich gefährlich finde.“ Bettina Gaus