Eselsklavier und Erdbeerköpfe

■ Schneewittchen und die sieben Sünden: Werke von Zvika Kantor

: Werke von Zvika Kantor

Den Eseln perlen Freudentränen aus den Augen: So ein Klavier hatte noch keine Kreatur je gesehen. Das schwarz-weiße Instrument, gebaut aus vierhundert Kilo Zuckerwürfeln und vermauert mit einhundert Kilo Schokolade dominiert den Raum. Durch das in einen Kegel gestürzte Mädchen, das über seine Schuhe mit dem Klavier verbunden ist, wirkt die Installation wie ein im Traum kombiniertes Monument einer Erinnerung an einen jedenfalls süßen, vielleicht gar glücklichen Moment. Zvika Kantors groteske Materialcollagen erzählen gewiß gefühlvolle Geschichten, aber welche nur? Die Gedanken streifen Comic- Szenen, erinnern sich an Märchen und suchen bei Breughel und Hieronymus Bosch nach schon einmal formulierten Bildern.

Der Bezug auf die Kunstgeschichte wird durch den Verweis auf die mittelalterlichen Allegorien der Todsünden noch verstärkt: Kleine Früchte-Figurinen, als Fotografie kostbar mit teils sandgestrahltem Glas gerahmt oder als Modell hinter lupenwirksamen Glashalbkugeln von aufwendigen Kästen umbaut, tragen in Latein emblematische Titel wie „Avaritia- Geiz“ oder „Superbia-Eitelkeit“. Beim „Neid“ geht's um die Wurst: ein Knoblauch mit Erdbeerkopf hat was gegen die Salami. Ein Maiskolben präsentiert sich selbst umarmend und mit schon festgewachsenem Fuß träge als die „Faulheit“.

Doch eindeutig auflösbar werden die Arbeiten auch durch solche Hinweise nicht. Die Interpretation von Objekten wie Kindermasken, Nikolausstiefeln, Spitzenstoffen und Kunsstoffzitronen mit freundlich winkenden Ärmchen bleibt offen. Einige der Attrappen aus der Werbegestaltung versprachen einst ein besseres, sauberes, pflegeleichtes Leben. Doch ein bißchen genauer angesehen wird beispielsweise der reichlich verwendete Kunstrasen; nicht mehr das Surrogat einer natürlichen Begrünung, das Zeug wird zum Zeichen einer menschengemachten Gemütlichkeit, dieser so unübersetzbaren deutschen Befindlichkeit.

Es scheint, daß Kantor nur des-

1halb alle diese scheußlich-schönen Materialien benutzen kann, weil er ihre so aufdringlich dekorative Bedeutung sorgfältig aufhebt. Seine Objektcollagen sind ein Denken im Material, das sich vom Fluxus das Recht nimmt, alles zu benutzen, dabei aber nicht puristisch oder mythisch wird, sondern locker dahinfabuliert. Immer wieder sträuben sich geradezu die Haare und der kritische Einwand ist stets bei der Hand; doch angemessener Umgang mit dem Material ist ange-

1sichts dieser Gratwanderung zwischen Spiel und Ernst nur eine verstaubte Kategorie der Kunsttradition.

Kantors Kunst folgt keinen akademischen Kategorien und will keinen Ewigkeitswert. Abwechselnd lebend in seiner Geburtsstadt Tel Aviv und in Hamburg, wo er seit 1981 fünf Jahre an der Hochschule für Bildende Künste studierte, ist für ihn die jüdische Tradition durchaus präsent. So ist Dauer für ihn eher in einer geistigen Tradi-

1tion als in konkreten Dingen aufgehoben. Seine Arbeiten voller wunderlicher Vertauschungen bringen das kategoriale Denken lustvoll in andere Dimensionen und ironisieren auch den heeren Anspruch der Kunst selbst. Es nimmt nicht wunder, daß er im Juli einer der Hauptakteure bei der Themenausstellung Antipathos des Israel-Museums in Jerusalem sein wird. Hajo Schiff

Schneewittchen und die sieben Sünden, Galerie Cato Jans, Humboldtstr. 39, bis 29. Mai