Eingeweide über Bord

■ Vom Meeresboden bis in die Hände des Veterinärs

Nur von hinten sieht der Sessel des Kapitäns edel aus: blau und samten. Doch die Armlehnen sind abgeknabbert bis auf den Schaumstoff. Kein Wunder: Fischkapitäne stehen unter ziemlichen Streß. Einen Fischschwarm mit dem Echolot zu orten, ist nicht besonders schwierig. Doch das Netz einen Kilometer hinter dem Schiff richtig über dem Schwarm zu plazieren, dazu gehört lange Erfahrung. Die Kapitäne sind nicht alle gleich erfolgreich.

Höchstens zwei Stunden dürfen die Fische dichtgedrängt im Netz bleiben. Dann werden sie mit einem Kehlschnitt geschlachtet, die Eingeweide entnommen und über Bord geworfen. Nur die großen Frosterschiffe haben eigene Fischmehlfabriken.

Wegen der niedrigeren Temperatur werden die Fische nachts ausgeladen. Um vier Uhr morgens kommt der Veterinär. Er teilt die Fische in Größen- und Güteklassen.

40.000 Tonnen Frischfisch werden jährlich über die Bremerhavener Auktion verkauft. Meist kommt der Fisch von isländischen Trawlern, zum Teil auch per LKW von Norwegen.

Trotz des Stresses der Versteigerung kaufen die Händler und Fabrikanten rund die Hälfte des benötigten Frischfisches auf der Auktion statt über Direktverträge mit norwegischen oder isländischen Exporteuren. Die Auktion hat Vorteile: Man kann die Ware vor dem Kauf besichtigen, und man kann entsprechend der Nachfrage kaufen.

Wohlgemerkt handelt die Auktion nur mit Frischfisch, Fisch also, den die VerbraucherInnen als frischen und nicht etwa tiefgefroren oder sauer eingelegt kaufen. So gesehen ist Frischfisch nur ein kleiner Teilmarkt: 80 Prozent der in Deutschland verspeisten Fische werden als Tiefkühlkost oder Marinade verspeist.

cis