Sanssouci
: Vorschlag

■ Gumball im Loft

Zitate, Verweise und Vergleiche gehören zur Popmusik wie das Einmaleins zur Mathematik. Manchmal genügt auch das einfache Nennen von Namen und persönlichen Zusammenhängen, um das Zustandekommen von Musik, Haltung und Einstellung nachzuvollziehen. Im Fall von Gumball nimmt dieses Namedropping geradezu Proustsche Ausmaße an, und es gibt Musiker wie J. Mascis (Dinosaur Jr.) und Thurston Moore (Sonic Youth), die man in den Spuren der Gumballs mehrmals wiederfindet.

Don Fleming, seines Zeichens Gitarrist und Sänger von Gumball, hat fast überall im US-Gitarrenuntergrund schon mal gespielt. Die Obskur-Combo B.A.L.L., das neurotische Minimal- Projekt Half Japanese, Dinosaur jr. und die Party- und Spaß- Band Velvet Monkeys (bei der u.a. auch Thurston Moore und J. Mascis zeitweilig ihre Visitenkarten abgaben) pflastern seinen Weg. Nicht minder zahlreich sind seine Aktivitäten als Produzent: Teenage Fanclub, Hole, Screaming Trees, um nur die bekanntesten zu nennen.

Mit den Velvet-Monkeys-Mitgliedern Jay Spiegel (ähnlich aktiv) und Eric Vermillion gründete er 1990 seine Stammband Gumball. „Special Kiss“ hieß ihr erster Longplayer, eine Mischung aus hochmelodiösen Post-Punk-Songs und verquersten Art-Rock-Spielereien à la Sonic Youth in ihrer Frühphase. Gumballs Vorgabe war es, Spaß zu haben, locker und cool zugleich zu sein und nebenher noch den typischen Rockposer raushängen zu lassen – Ledermäntel und Sonnenbrillen, in letzter Zeit ergänzt durch ein stoisches Tragen von Wollmützen.

Mittlerweile sind Gumball bei einem Major-Label gelandet, und zum Spaß hat sich auch ein bißchen Seriosität gesellt. Der Nirvana- und Sonic-Youth-Produzent Butch Vig hat ihr zweites Album „Super Tasty“ produziert und die experimentellen Ausbrüche in halbwegs geordnete Bahnen gelenkt, so daß ein schnelles, strukturiertes Rock-Album daraus geworden ist. Die Eckpfeiler des Gumball-Sounds heißen Punk und Pop, und im Mittelpunkt stehen flirrende Gitarren, denen weiterhin Schmutz und Rauhheit anhängen, die sich aber immer auch in den Gehörgang einschmeicheln wollen. Die Krönung ist die lasziv-coole Stimme von Don Fleming, die in der weiten Spanne von Teenagertum und Enddreißiger-Brüchigkeit oszilliert. Musik, die immer mit einem jugendlichen Rebellentum kokettiert und trotz mancher Eingängigkeit zu schlau ist, in den Niederungen des Mainstreams zu versanden. Als Bonustrack wurde der europäischen Veröffentlichung von „Super Tasty“ noch Gumballs ganz „persönlicher Ritt durch den Unterleib der Rockgeschichte“, wie sie es nennen, mitgegeben: Frühachtziger-Pop und Punk-Stücke von u.a. The Damned („New Rose“, angeblich die erste Punk-Rock- Single ever), den Small Faces oder Black Flag. Damit haben Gumball ihr Universum markiert, eines, das nicht für die Ewigkeit bestimmt ist und immer mit einem Auge auf den Abfallhaufen der Rockgeschichte blickt – und folgerichtig Don Fleming nicht davor zurückschrecken läßt, das nächste Album von Alice Cooper zu produzieren. Gerrit Bartels

Morgen, Sonntag, 21 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg