■ Am Hauptbahnhof: „Privat nehme ich die Bahn nur selten“
Waltraud Andrejew, 52 Jahre, Kassenaufsicht
Ich fahre nach Hause, nach Frankfurt. Ich nehme selten den Zug: Ich habe wenig Zeit, und mit dem Wagen ist es angenehmer – man kommt überall schneller hin. Im Auto bin ich aber nur noch Beifahrerin. Das Fahren ist mir zu hektisch, seit der Wende sind zu viele Autos auf den Straßen. Die Bahn müßte pünktlicher sein, schmuddelig ist sie sowieso. Aber höflicher ist es geworden.
Marco Oswald, 25 Jahre, Elektroschweißer
Ich fahre selten Zug; ich habe auch kein Auto. Wo soll ich denn hinfahren – ich bin ganz zufrieden mit Berlin. Der Service bei der Bahn mag ja noch gehen. Aber die Preise sind ziemlich hart; die brauchen sich nicht wundern, wenn viele auf den Wagen umsteigen. Besonders die Bahnhöfe sehen einfach ein bißchen dreckig aus. Ich warte hier nur. Die Blumen sind für meine Schwiegermutter.
Alexander, 7 Jahre alt, Schüler
Ich habe daheim eine Spielzeugeisenbahn, so eine elektrische. Die eine Lok hat keinen Motor, das ist die S-Bahn. Die andere hat einen Motor und zehn Waggons insgesamt. Vor den großen Zügen habe ich keine Angst. Ich finde es immer schön, wenn ich die Oma zum Bahnhof bringen kann. Wie oft ich da schon war, weiß ich nicht. Zehnmal oder so. Vielleicht werde ich später mal Polizist.
Marcel und Marcel, beide 11 Jahre, Schüler
Wir sind hier zum Spielen. Vor allem wegen der Gepäckwagen, da ist manchmal Geld drin. Heute haben wir schon zwei gefunden, wo das Pfand noch steckte. Das ist jeweils eine Mark. Wir sind schon einmal ganz weit gefahren; der Zug fuhr sogar auf ein Schiff. Das war in Österreich. Oder Schweden. Wir wollen beide S-Bahn-Fahrer werden. Da sitzt man ganz vorne. Wir machen immer alles zusammen.
Gerhart Hartsch, 58 Jahre, Publizist
Ich fahre im Jahr höchstens zwei-, dreimal Zug. Bei Mitfahrgelegenheiten geht es genauso schnell, und es ist billiger – von Bremen nach Berlin bin ich für 15 Mark gekommen. In Berlin habe ich mich vorhin irgendwie verfranzt und keine Mitfahrzentrale gefunden. Jetzt fahre ich mit der Bahn zurück nach Bremen, für 88 Mark. Der Zug ist unpersönlich. Jeder verschanzt sich hinter seiner Zeitung.
Daniel Harms, 21 Jahre, Triebwagenführer
Zur Zeit bin ich Beifahrer. Es müssen zwei Mann sein, weil wir ab und zu mit 120 fahren. Da muß man aufpassen, sonst geht es ganz schnell, und man überfährt ein Signal. 1988 habe ich bei der Reichsbahn angefangen; bis jetzt darf ich nur Rangierlok fahren. Ich habe mich aber für die 202er beworben, das ist die ehemalige 110er – ich weiß nicht, ob das Laien was sagt. Privat nehme ich die Bahn selten.
Umfrage: Bernhard Landwehr
Fotos: Bente Geving
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