„Kill the cops!“ auf der Männertoilette

■ Die Polizei Brandenburgs integrierte unterschiedlichste Balljäger in einem Fußballturnier

Potsdam (taz) – Alex Gehl ist vom Spieß einer ostdeutschen Volkspolizei-Einheit zum Geschäftsführer einer Hundertschaft gesamtdeutscher Bereitschaftspolizisten aufgestiegen. Vor kurzem hatte der sportbegeisterte Schutzmann eine geniale Idee. Ein Fußballturnier nebst kostenlosen Bratwürsten, Bier und Brause sollte Gehls Motto: „Sport – eine Form der Verständigung“ mit Leben und Torschüssen erfüllen.

Der Einladung folgten von links nach rechts: die autonomen Kicker des FC Roter Rhombos, die internationalen Ballartisten des Potsdamer Asylbewerberheims, die journalistischen Jongleure des Ostdeutschen Rundfunks (ORB), zwei Betriebssportgruppen der Brandenburger Ordnungshüter, die SG Dynamo Potsdam-Eiche von der nicht mehr existierenden Stasi-Berufsschule und die Halbprofis der befreundeten Polizei aus Brühl (Nordrhein-Westfalen).

Das illustre Feld traf sich vergangenen Mittwoch im Potsdamer Ernst-Thälmann-Stadion, einem frisch gepflügten Fußballacker, dem man ansah, daß sich sein Namensgeber schon lange nicht mehr um ihn kümmern konnte. Nicht eingeladen hatte Alex Gehl rechtsradikale Fußballtreter, „weil die mir zu jung und zu blöd sind“. Kurzfristig abgesagt hatten die Bolejtschiks der letzten GUS-Kompanie wegen einer Inspektion und die Freizeitkicker des Potsdamer Magistrats wegen der mitspielenden Autonomen. „Der Magistrat konnte nicht verstehen, warum wir die Linken zu diesem Turnier einluden“, berichtete Organisator Gehl enttäuscht. Insider hatten sich besonders auf das sportliche Duell des obersten Potsdamer Wohnungsverwalters Kaminski mit den Hausbesetzern aus der Gutenbergstraße 22 gefreut.

Schon vor dem ersten Anpfiff attackierten sich die Teilnehmer mit psychologischen Ablenkungsmanövern. Für den frisch gesprühten Spruch auf der Männertoilette „Kill the cops!“ wurden indizienlos die linksautonomen Sportfreunde verdächtigt. Der ermittelnde Beamte mußte seine Untersuchungen jedoch wegen seines Einsatzes als rechter Verteidiger ergebnislos abbrechen. Die Asylbewerber verbreiteten mit einem Gerücht Angst und Schrecken. Sie kündigten in ihren Reihen einen ehemaligen jugoslawischen Nationalspieler an, der sich dann aber doch als rumänischer Ex-Oberligakicker entpuppte.

In der Vorrundengruppe 1 setzten sich die punktspielerfahrenen Routiniers von Dynamo Potsdam- Eiche, sonst Tabellendritter der Kreisklasse Havelland-Mitte, Alte Herren, durch. In Qualifikationsgruppe 2 dominierten die westdeutschen Volkspolizisten aus Brühl dank ihrer gleichermaßen schnittigen Spielweise und Haartracht und gewannen auch das Überkreuz-Halbfinalspiel gegen den ORB durch die urplötzliche Ausführung eines äußerst umstrittenen Freistoßes. Die ORB-Fußballer werteten diese Fehlentscheidung als erneuten Angriff auf das öffentlich-rechtliche Mediensystem der BRD und entlarvten den Schiedsrichter als „ran“-Stammzuschauer.

Zähneknirschend mußte die versammelte ostdeutsche Zuschauerschaft dann miterleben, wie die „Brühler Bullen“ auch das Endspiel gegen Dynamo Potsdam- Eiche mit 3:2 nach Strafstoßtreten gewannen. Vorbereitung ist eben alles: Als die Polizeichefs Nordrhein-Westfalens von diesem Fußballturnier hörten, vernachlässigten sie alle sicherheitspolitischen Regeln. Die Beamten für den zehntägigen Austausch mit dem Land Brandenburg wurden ausschließlich nach fußballerischen Kriterien ausgewählt.

Im Spiel um Platz drei versagte der „Balkankreisel“ der Asylbewerber-Elf gegen die Sportjournalisten. ORB-Intendant Rosenbauers Rasenbauern stürmten erstaunlich leichtfüßig nach einem 1:0-Sieg auf den dritten Turnierplatz. Völlig leer gingen die autonomen Balljäger aus. Die Anrede „Rote Rambos“ verbaten sie sich, obwohl sie ihrer forschen Spielweise durchaus gerecht wurde. Dagegen gestatteten die Hausbesetzer den fußballspielenden Polizisten generös, sie mit „Immobilienbesitzer“ anzusprechen. Man kannte sich schließlich vom Sehen und verabschiedete sich am Abend bis zur nächsten Häuserräumung. „Da steht unsere Verteidigung aber besser als heute nachmittag“, kündigte der Rhombos-Kapitän bereits eine kontrollierte Defensiv-Taktik an. Ole Richards