Unser Zimmermädchen ist eine Ausländerin

„Reisen – Sympathie für das Fremde?“ Eine Tagung der Thomas-Morus-Akademie über Aktionen im Tourismus gegen Fremdenhaß  ■ Von Edith Kresta

Daß die touristische Eroberung fremder Länder nicht automatisch eine größere Toleranz gegenüber dem Fremden im eigenen Land mit sich bringt, haben die gewalttätigen Ausschreitungen von Rostock bis Mölln nachhaltig gezeigt. Auf einer Tagung der Thomas-Morus- Akademie in Bensberg befaßten sich Touristiker und Wissenschaftler mit der Frage, ob und wie Reisen für das Fremde öffnet. „Reisen – Sympathie für das Fremde?“ war das Thema der Veranstaltung mit dem Ziel, konkrete Aktionsmöglichkeiten im touristischen Bereich gegen Ausländerfeindlichkeit zu diskutieren. Konsens bestand bei den Teilnehmern darüber, daß auf dem „Nebenschauplatz“ Tourismus allenfalls eine größere Sympathie für das Fremde erreicht werden könnte. Bewußtseinsbildung, so der Ethnologe und Schriftsteller Hans-Jürgen Heinrichs in seinem literarisch-beschaulichen Vortrag über den „Umgang mit dem Fremden“, sei die wesentliche Voraussetzung einer Veränderung. Zustimmendes Kopfnicken allerseits und allerorten. Doch wie dieser abstrakte Begriff im Urlaub zwischen dem Bedürfnis nach Erlebnis, Ausspannen, heiler Exotik und ein bißchen Fremdartigkeit einzuordnen ist, darüber zerbrachen sich die Teilnehmer von touristischen Großveranstaltern wie der TUI und Hetzel-Reisen bis zu Anbietern aus dem Sozial- und Jugendreisebereich die Köpfe. Während es der Reiseriese TUI jugendlichen Skins ermöglichte, mit einer Gruppe türkischer Jugendlicher die Türkei zu bereisen, um so vor Ort ihre Vorurteile zu überprüfen und etwas Weltoffenheit zu schnuppern, können die im Sozial- und Jugendbereich tätigen Veranstalter nur wenig spektakuläre Aktionen aufweisen. Dort gehe es vielmehr darum, so ein zusammengefaßtes Ergebnis der Arbeitsgruppen, vorhandene Konzepte und Strukturen in der interkulturellen Begegnung zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Daß Begegnung im fremden Land im Jugend- und Sozialbereich – wenn überhaupt mit Pädagogik – nur über eine Erlebnispädagogik herzustellen sei, darüber war man sich einig. Eine Pädagogik, die Brücken baut, aber keine fertigen Einsichten und Programme liefert, sondern die Auseinandersetzung mit dem Fremden über das eigenständige Aktivwerden, Erleben, und Fragenstellen ermöglicht. Projekte in diese Richtung präsentierten beispielsweise das katholische Ferienwerk Köln und Stattreisen e.V. Während das katholische Jugendwerk versucht, die Begegnung zu erleichtern, indem den Jugendlichen die Aufgabe gestellt wird, etwas nicht Materielles aus dem jeweiligen Land mitzubringen, versucht Stattreisen mit Führungen in der eigenen Stadt, die fremde Kultur vor Ort näherzubringen. Mit sogenannten „Stadtspielen“ soll die ausländische Kultur erforscht werden. So muß beispielsweise Herkunft, Verwendung und Zweck von Kreuzkümmel herausgefunden werden. Ein spielerischer Zugang zum Fremden, der, so die Veranstalter, nicht nur für Kinder geeignet sei. Voraussetzung eines solchen Konzepts ist eine gut vorbereitete und kompetente Reiseleitung.

Wenn, wie der Ethnologe Heinrichs in seinem Vortrag betonte, nur die direkte, individuelle Begegnung es ermöglicht, Zugang zum Fremden zu finden, so kann die Aufgabe einer Reisepädagogik im Jugendbereich allenfalls sein, persönliche, direkte Begegnung zu ermöglichen. Andererseits scheint unter diesen Prämissen der Großtourismus mit seiner fast perfekt verdinglichten Beziehung zum fremden Land, wo Begegnung fast ausschließlich in vorgefertigten Konsummustern stattfindet, geradezu kontraproduktiv zum Verständnis des Fremden.

Zu Recht verwies der TUI-Vertreter Horst Martin Müllenmeister darauf, daß Pädagogik im Angebot seiner Firma nichts verloren habe. Es wäre wohl auch eher peinlich, wenn Pauschaltouristen im tunesichen Djerba, angeleitet von Reiseleitern oder hoteleigenen Animateuren, im Sinne einer „interkulturellen Animation“ spielerisch den Kontakt zu den Einheimischen suchten. Doch für eine Qualifizierung der Reiseleitung im interkulturellen Bereich sprachen sich auch die Vertreter der Großveranstalter aus. Wie dies in der Praxis aussehen könnte, blieb offen.

Tourismus ist Lebensstil, und genau auf dieser Lebensstilebene agiert der Jugendreiseveranstalter RUF, wenn er mit dem Hinweis im Prospekt: „Ausländerfeindlichkeit unerwünscht“, Fremdenfeindlichkeit einfach ausgrenzt. Solche Botschaften, so ein weiteres Diskussionsergebnis, könnte die Branche, die ja schließlich mit dem Fremden wirbt, durchaus häufiger signalisieren – in Katalogen, Prospekten und von seiten der Reiseleitung. Sollte die TUI gar bald mit einem schönen Ferienplakat – einheimische ägyptische Großfamilie mit verschleierter Mutter und Picknickkorb am goldgelben Sandstrand unter strahlender Sonne zwischen braungebrannten Touristen – offensiv für TUI und gegen Rassismus werben, so hätte der größte deutsche Reiseunternehmer eine neue Dimension modernster Werbetechnik umgesetzt. Und soziales Engagement im freundlichen Come-together-Stil stünde der weltoffenen Tourismusbranche längst gut an. Der Spot darauf könnte ganz im TUI-Stil (Glück ist käuflich) gehalten sein: „Das Fremde ist käuflich – Sie sollten es trotzdem überall respektieren.“