Kein Interesse an politischen Dogmen

■ betr.: "Grüne Maske, braune Seele", u.a., Intertaz vom 7.5.93

betr.: dito

[...] Was das Modewort Ökorassismus nun beweisen soll, ist eigentlich ein alter Hut. So ist der Flächenverbrauch und die Ressourcenverschwendung an sich ein materialistisches-kapitalistisches Problem. Diese wertschätzende Denkensweise gibt es im Naturschutz nicht. Im Naturschutz ist die Natur in der Gesamtheit wertvoll, durch den Kreislauf der eigenen Existenz und ihrer Entstehungsdauer. Da sich Kapitalismus und Faschismus eigentlich auch nie besonders gut vertragen haben, besonders in den Anfängen des National-Sozialismus, liegt es nahe, dem Naturschutz konservative Züge zu unterstellen. Schließlich wollen Naturschützer etwas erhalten, was moderne Maschinenstürmer schon immer nutzen wollten.

Richtig an Eurer Kritik ist allerdings, daß nach der Zerschlagung des Faschismus in Deutschland Probleme ungeklärt blieben, die im Dritten Reich von Bedeutung waren. Doch selbst das Kaiserreich Japan verfolgte bis 1946 ähnliche Ziele, obwohl dort eher eine autoritäre-diktatorische Tenno-Herrschaft existierte, die zudem stark chauvinistisch ausgeprägt war. Grundziele waren etwa: Ausrottung und Dezimieren von „nicht lebenswerten“ Völkern und Rassen. Gigantismus im Bau und in Technik mit Raumöffnung und Mobilität, Eroberung von Rohstoffen, Patentierungen von Kriegsgerät und Einsatz von Massenmedien. Gründung von Kolonien und Vasallengebieten, Überbewertung der eigenen Rasse und Nationalität.

Viele der damaligen Grundsätze haben heute noch Bedeutung oder existieren sogar in schleichender versteckter Form weiter. So ist gerade das Problem der Überbevölkerung sehr bedeutsam, weil beim globalen Verteilungskampf die Frage nach dem Anspruch der Gebiete wieder aktuell geworden ist. Die Frage ist nur, wer benennt heute die nicht lebensberechtigte Rasse oder beginnt deswegen einen neuen Weltkrieg. Gleichzeitig haben die Deutschen immerzu Angst davor, aussterben zu können, wegen mangelnder Vermehrung, obwohl unsere Kultur tagein tagaus dabei ist, sich per PKW öffentlich zu vergasen. Schließlich haben die Nazis vor Zyklon-B zuerst Autoabgase benutzt. Heute wissen wir, wie schädlich Abgase sind, doch ist die Mehrheit unserer Bevölkerung dabei, sich selbst zu vergasen, sogar ohne bestimmtes Motiv.

Aus der Sicht des konservativen Naturschutzes kann es nur die Erhaltung der Natur geben, und zwar unabhängig ob mit Menschheit oder ohne uns. Störende Lebensformen wurden immer im Zyklus der Schöpfung eingestellt oder genetisch aufgegeben. Selbst bei aller Technik und Entwicklung ist der Beweis unserer Existenz doch gering, da wir nur magere zwei Millionen Jahre Lebensdauer vorweisen können gegenüber einer Lebenslänge der Erde, die schon vier Milliarden beträgt.

So ist der Naturschutz also an ganz anderen Fragen interessiert als an politischen Dogmen von Parteien und Interessengruppen. Der Naturschutz kann schwerlich Bäume abholzen lassen, weil eine rechte Partei die Bäume erhalten will. Divergierende Probleme dieser Art gibt es zu Hauf in dieser Republik. Kaum ein Naturschützer wird also für den Tiergartentunnel sein, weil etwa die „Republikaner“ dagegen sind. Naturzerstörung bleibt auch eine Zerstörung, selbst wenn rechte oder konservative Kreise diese Zerstörung ebenfalls erkannt haben. [...]

Weshalb die traditionelle Linke aber an Umwelt- und Naturschutz weniger Interesse hat als in den Jahren von Gorleben, Startbahn- West oder Wackersdorf, ist relativ leicht zu erklären. Da in unserem Lande der Gürtel enger geschnallt worden ist, was alle Schichten mehr oder weniger betrifft, kann die Linke das eigene Leben nicht unbegrenzt vernachlässigen für den undankbaren Kampf um Froschteiche und Grünflächen. Vielmehr wird der Kampf um das kleine Biotop im Hof oder an der Ecke geführt. Da geht es um die eigene Gesundheit, wie nach Tschernobyl, wo es um die Trockenmilch- Vorräte ging. Längst sind in den Bioläden die sozial Schwachen ausgegrenzt, und die neue linke Mittelschicht hat ihren Speckgürtel um Berlin bezogen. Die ganz Konsequenten sind inzwischen in Australien oder der Toskana.

Aber die taz möge uns verzeihen, wenn, wie bei den Ringstraßentagen eine Radsternfahrt stattfindet, dann junge Türken auf Frauen in der Blockade einprügeln, daß wir diese Autolobby auch in nationaler Form benennen. Schließlich ist ein Türke zu gerne Autofahrer und nicht ein Radfahrer, was allerdings nicht für Türkinnen zutrifft.

[...] Demzufolge finden wir die zwei Seiten auch äußerst unplaziert und betrachten das Ganze zunächst als Spaltungskampagne der Naturschutzbewegung. Schließlich hat die taz hier jahrelang geschlafen, während bürgerliche Blätter und Zeitungen längst zum Umweltschutz Stellung bezogen haben. Da muß die taz natürlich etwas unternehmen und dem Naturschutz mal die „rote Karte“ zeigen. [...] Reiner Schicks, Sprecher der

AG Rettet den Tiergarten, Be-

zirksgruppe NABU LV Berlin

e.V., Mitglied im Tiergarten-

bündnis