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Ein Job für zwei

■ Die PvdA sucht neue Wege

Amsterdam (taz) – Wenn es nach der Partij van de Arbeid (PvdA) geht, werden in niederländischen Kliniken demnächst bestimmte Krankenschwestern die Betten machen und andere die Patienten an den Tropf legen. Auch der Polizeiapparat und andere Dienstleistungsberufe sollen nach diesen Plänen völlig neu gegliedert werden. Geplant ist eine Form von Job-Splitting in Verbindung mit Weiterbildungsmaßnahmen und kürzerer Arbeitszeit. Dadurch könnten nach Prognosen der Arbeiterpartei bis zum Jahr 2000 jährlich 50.000 neue Stellen geschaffen werden. Deswegen will die Arbeiterpartei künftig Berufe, die bisher mittlere oder höhere Qualifikationen verlangten, teilen und dabei Stellen für unterschiedlich ausgebildetes Personal schaffen.

Gleichzeitig wünscht sie, daß die Mindestlöhne angehoben werden. Damit wollen die Sozialdemokraten die im europäischen Vergleich eher niedrige Arbeitslosigkeit von fünf bis sechs Prozent senken. Zugleich ist eine höhere Beteiligung am Arbeitsmarkt nötig, damit der umfassende Versorgungsstaat aufrechterhalten werden kann.

In der Tat macht das niederländische soziale Netz die Arbeitsuche für Kleinverdiener weniger notwendig als anderswo: 1.100 Mark beträgt der Sozialhilfesatz für Alleinstehende. Mindestlohn und Arbeitslosengeld liegen nah beieinander. Um die Arbeitslosenzahlen zu drücken, duldete die Regierung lange Zeit die Abschiebung freiwerdender Arbeitskräfte in den gut abgesicherten „Invalidenstand“.

Heute streben jedoch viele Niederländer freiwillig diese Situation an: 900.000 der 15 Millionen Einwohner sind als arbeitsunfähig registriert. Auch von der Vorruhestandsregelung wird in großem Maß Gebrauch gemacht. Nur 49 Prozent aller erwerbsfähigen Niederländer zwischen 15 und 64 Jahren sind derzeit vollzeitbeschäftigt.

In einem Bericht mit dem Titel „Niemand an den Rand“ entwickelte de Beer mit seinen Parteifreunden jetzt Ideen zum Sozialstaat, die den mitregierenden Sozialdemokraten eine neue politische Perspektive geben sollen. Denn nach achtjähriger Opposition wurde die PvdA 1989 ins Parlament gewählt, damit die absehbaren Einschnitte in das soziale Netz weniger tief ausfallen würden. Bislang ohne viel Erfolg.

„Das Problem der niederländischen Sozialdemokratie ist, daß sie sich kaum profilieren kann“, begründet de Beer die Suche nach neuen Konzepten. Er arbeitet deshalb an der Idee eines „Grundeinkommens“, das jedem Bürger, jeder Bürgerin gewährt werden sollte. Mit einer neuen Form des„Wohlstandsliberalismus“ solle der Staat von seinem autoritären und paternalistischen Sockel heruntergeholt werden. „Wir müssen die sozialen Umstände so gestalten, daß jeder Mensch seine Lebenskonzeption frei und unabhängig wählen kann“, fordert de Beer. Für diesen Radikalansatz hat er bisher allerdings selbst in der eigenen Partei keine Mehrheit. Jeannette Goddar

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