Blüten fallen Chips zum Opfer

■ Im Zeitalter der Farbkopierer haben Falschgeldproduzenten Hochkonjunktur

Erna P., Charlottenburger Imbißbesitzerin, zerknüllt mit geübtem Griff den Hundertmarkschein, den ich ihr soeben zur Bezahlung meiner Currywurst über den Tresen gereicht habe. Dann hält sie ihn noch mal gegen das fahle Neonlicht über der Friteuse. „Na ja, hamse Glück jehabt“, brummelt sie schließlich und läßt ihn in ihrer Kasse verschwinden. Während sie das Wechselgeld zusammensucht, beiße ich erleichtert in mein Würstchen. Nicht nur, weil es eine ziemliche Unverschämtheit ist, mit einem Blauen am Imbiß aufzutauchen, sondern weil der Schein nicht nur Makulatur ist.

Jedenfalls glaubt das Erna P., und die hat jeden Tag soviel mit Geld zu tun, daß sie es eigentlich wissen müßte. „Falschgeld fühlt sich anders an, weil's aus Papier ist“, sagt sie und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Woher sie das weiß? „Erstens aus'm Fernsehen und zweitens, weil echtes Geld aus Baumwolle is und sich weicher anfühlt.“ Und dann sei da noch dieser Silberfaden, der beim echten Geld wie eingewebt wirkt und auf Blüten eben nur aufgedruckt. Keine Frage, die Frau kennt sich aus, und wenn sie nicht diese fettige Schürze über dem feisten Frittenbauch trüge, vielleicht hätte sie Chancen im Berliner Falschgeldkommissariat. Dort ist Leiter Lothar Lax nämlich täglich mit dem Aufspüren falscher Scheine beschäftigt, und personelle Verstärkung zur Aufklärung der Bevölkerung könnte er sicherlich gut gebrauchen. Allein im Zeitraum des vergangenen Jahres hat das Auftauchen falscher Hundertmarkscheine um achthundert Prozent zugenommen. Aber auch alle anderen Scheine sind vor den Fälschern nicht sicher. Lax vermutet die Falschgeldbanker in Polen und angrenzenden Ländern Osteuropas. „Das ist ein bundesweites Problem“, betont er. Was ihm und den Kollegen vom Bundeskriminalamt aber eigentlich die Ermittlungen und damit das Leben so schwer macht, sagt er nicht, weil es mittlerweile sowieso schon jeder weiß. Dorn im Auge sind die Farbkopierer und ihre perfekte Wiedergabequalität. Mit einem Marktpreis von derzeit 30.000 bis 83.000 Mark befinden sie sich nicht gerade in den Aldi-Regalen, aber schließlich gibt es ja auch die Möglichkeit, die begehrten Geräte zu mieten oder zu leasen. Steht das Gerät erst einmal in den eigenen vier Wänden, ist der Weg zum selbstgemachten Geld nicht mehr weit, und nicht nur das: Von perfekt kopierten Eintrittskarten bis zu Reiseschecks, Briefmarken oder Aktien bleibt vor den kopierwütigen Fälschern nichts verschont. Nicht erst seit gestern machen sich deshalb auch die Vertreter der Deutschen Bundesbank Sorgen. Immerhin mußten sie allein 1992 vierzehntausend falsche Banknoten registrieren, im Gegensatz zu knapp siebentausend Scheinen im Jahr 1991 eine hundertprozentige Steigerung. Seit 1987 die ersten Farbkopierer auf den Markt kamen, knüpften Bundeskriminalamt und Bundesbank Kontakte mit den Herstellerfirmen, um eine Bresche gegen die rasch um sich greifende kriminelle Copy-Energie zu schlagen.

Mit Erfolg, wie sich jetzt zeigt. Nach rund vier Jahren Tüftelei ist es Marktführer Canon als erster Herstellerfirma gelungen, ein sogenanntes Banknotenerkennungssystem zu entwickeln. Jedem neuen Farbkopierer wird ab sofort ein kleiner Chip eingesetzt, in dem die Eigenarten der wichtigsten internationalen Geldscheine abgespeichert sind.

Sollte ein Fälscher demnächst also versuchen, einen Hundertmarkschein zu kopieren, identifiziert der Chip dies als kriminelle Handlung und spuckt geschwärzte Kopien aus.

Damit auch andere Wertpapiere und Dokumente künftig vor Fälschern sicherer sind, ließ sich Canon noch einen weiteren Trick einfallen. „Alle neuen Farbkopierer drucken in die produzierten Kopien eine unsichtbare, codierte Gerätenummer ein, die im Verdachtsfall sichtbar gemacht werden kann“, so Canon-Sprecherin Petra Fujiwara. Da dem Hersteller der Standort jedes einzelnen Geräts bekannt ist, kann das Bundeskriminalamt auf diese Weise den Fälschernestern schneller auf die Spur kommen.

Einziger Schwachpunkt für die Leute vom BKA und der Bundesbank: Farbkopierer haben eine Lebensdauer von fünf bis zehn Jahren, und von einem sofortigen Austausch der alten Geräte kann keine Rede sein, zumal Kopierer- Firmen wie Rank Xerox in ihrer Presseabteilung verlauten lassen, daß sie von dem „Zusatzteil“ für Farbkopierer schon gehört hätten. Mehr aber auch nicht. Christine Berger