„Mit die größte Demütigung für eine Frau“

IG-Metall-Sekretär wurde wegen sexueller Nötigung einer Kollegin zu anderthalb Jahren auf Bewährung verurteilt / Frankfurter Bundesvorständler wollten keine Kündigung aussprechen  ■ Aus Berlin Ute Scheub

„Erzwungener Mundverkehr ist mit die größte Demütigung, die einer Frau widerfahren kann“, befand die Vorsitzende Richterin in der Urteilsbegründung. „Das kann schlimmer sein als eine Vergewaltigung.“ Weil er eine Kollegin im Anschluß an eine Betriebsfeier in seinem Auto gewürgt und zu eben jener sexuellen Handlung genötigt hatte, wurde der Gewerkschaftssekretär Detlef K. vorgestern abend vor dem Berliner Landgericht zu anderthalb Jahren auf Bewährung verurteilt. Wegen seines damaligen Alkoholpegels wertete die 20. Große Strafkammer die Tat jedoch als „minder schweren Fall“. Außerdem muß der inzwischen nach Oranienburg versetzte 39jährige Funktionär 3.000 Mark Schmerzensgeld an seine 37jährige Kollegin und weitere 3.000 Mark Buße an eine Stiftung zahlen.

Der Angeklagte, offenbar bis zur letzten Minute mit einem Freispruch rechnend, hatte trotz des gemäßigten Urteils Mühe, nicht in Tränen auszubrechen. Die als Nebenklägerin auftretende Frau hingegen nahm die Entscheidung ohne sichtbare Bewegung zur Kenntnis. Ihr sei am wichtigsten, daß es überhaupt zu einer Verurteilung komme, damit ihre Kollegen in der IG-Metall-Verwaltungsstelle Berlin ihr endlich glaubten, hatten ihre AnwältInnen in den Plädoyers ausgeführt.

Daß das Gericht am Ende ihrer Aussage folgte, obwohl die VerteidigerInnen von Detlef K. mit teilweise unter die Gürtellinie zielenden Tricks ihre Glaubwürdigkeit zu erschüttern versuchten, dürfte die Frau vielleicht über die psychische Belastung durch das Prozeßgeschehen hinweggetröstet haben. Just aus Angst davor hatte sie nach dem Vorfall im November 1991 keine Strafanzeige gestellt, erst aufgrund von taz-Berichten wurde die Staatsanwaltschaft von sich aus tätig.

Die Einlassung des Angeklagten indes sei „in sich unglaubwürdig“, befanden die RichterInnen. Er hatte angegeben, im Rückspiegel seines Autos gesehen zu haben, daß der Frau schlecht gewesen sei. Deswegen habe er angehalten, sich zu ihr auf die Rückbank gesetzt und die Autotür verschlossen. An eine Gewalttat könne er sich nicht erinnern, nur daran, daß er auf sie „draufgefallen“ sei. Im übrigen sei er noch nie gewalttätig gegen Frauen vorgegangen. Das sei eine „ausgestanzte Wahrnehmungslücke“, so die Vorsitzende. Zudem habe auch eine andere Zeugin berichtet, wie er sie in ihrer Wohnung bedrängt habe.

Die psychischen Folgen für das Opfer seien erheblich gewesen, hieß es weiter in der Urteilsbegründung. In der Tat: Sowohl die Berliner Geschäftsführung der IG Metall als auch der Bundesvorstand unternahmen erhebliche Anstrengungen, um den Täter vor einer – von der weiblichen Gewerkschaftsbasis vehement geforderten – Kündigung zu schützen. Der Höhepunkt dieser zweiten Demütigung für das Opfer war ein Gespräch in der Frankfurter Gewerkschaftszentrale, in dem man der Frau eine Versetzung ins Umland schmackhaft zu machen versuchte. Eine Kündigung des Mannes wurde ausgeschlossen. „Für mich war der Vorfall unaufklärbar, Aussage stand gegen Aussage“, so Dieter Sommer aus der Personalabteilung des Frankfurter Bundesvorstandes vor Gericht. „Wenn eine Entscheidung vorliegt, wird die IG Metall diese prüfen“, heißt es jetzt.