: Zauberhaftes Lob nebst Ohrfeige für den Theo
CSU-Bezirk Nürnberg spricht sich eindeutig für Stoiber als neuen Ministerpräsidenten aus ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler
Die Chancen von Bundesfinanzminister Theo Waigel den bayerischen Ministerpräsidenten Max Streibl zu beerben, sind weiter drastisch gesunken. Als erste Parteigliederung entschied sich die Nürnberger CSU bei ihrem Bezirksparteitag am Samstag mit großer Mehrheit für Bayerns Innenminister Edmund Stoiber als neuen Ministerpräsidenten. Waigel ahnte das Abstimmungsergebnis schon im voraus und brauste vor der Verabschiedung der entsprechenden Resolution sichtlich verärgert in seinem Dienstwagen davon.
Ohne direkt auf seinen von der CSU-Landtagsfraktion favorisierten Kontrahenten Stoiber einzugehen, plädierte Parteichef Waigel vor den Delegierten dafür, die Entscheidung über die Nachfolge von Amigo-Streibl nicht überstürzt zu fällen. Es sei besser „den richtigen Kandidaten eine Woche später zu bestimmen, als den falschen eine Woche zu früh“.
Er warnte seine Parteifreunde zudem nachdrücklich vor einem Rechtsruck. Die CSU müsse weiterhin „eine Partei der Mitte sein“. Eine „Änderung der Koordinaten der CSU, das ist mit mir nicht zu machen“, betonte der Parteichef. Wenige Wochen zuvor hatte Waigel noch in Richtung CDU getönt, die Wahlen 1994 könnten „nur rechts von der Mitte gewonnen“ werden. – Die Parteibasis, die die Angst vor einem erheblichen Verlust von Mandaten und damit von Einfluß durch zu erwartende Zugewinne der rechtsextremen „Republikaner“ umtreibt, wollte Waigel auf diesem Weg nicht folgen. CSU-Bezirkschef Günther Beckstein brachte völlig überraschend eine Resolution für Stoiber als Ministerpräsidenten ein. Darin werden Waigels Leistungen als „Bundesfinanzminister in schwierigster Zeit“ ausdrücklich gewürdigt. Mit diesem wichtigsten Schlüsselressort in Bonn sei der bundespolitische Anspruch der CSU am besten gewährleistet.
Waigel verstand, zwischen den Zeilen zu lesen. „Ich finde diese Lob ja zauberhaft — und wenn es zu einer anderen Zeit gekommen wäre, hätte ich es auch eher geglaubt“, befand er kurz vor seinem Aufbruch.
So bekam er auch das klare Votum für Stoiber als Ministerpräsidenten und ihn als in Bonn vertretenen Parteivorsitzenden nicht mehr mit. Mit 78 gegen 31 Stimmen sprachen sich die Delegierten für Stoiber, den CSU- Grundsatzreferenten und Parteivize, aus. Ihm traut die verunsicherte Parteibasis am ehesten zu, durch eine harte Linie in der Asylpolitik und in Fragen der Inneren Sicherheit die REPs im Freistaat in Schach zu halten und damit den Abrutsch der CSU in die bundespolitische Bedeutungslosigkeit vermeiden zu können.
Der Vorstoß des Nürnberger CSU-Bezirkschefs und Innenstaatssekretärs Günter Beckstein für seinen Vorgesetzten kam aber nicht überraschend, schließlich liebäugelt Beckstein schon lange mit dem Amt des bayerischen Innenministers. Ausgestattet mit diesem Ministerbonus erhofft er sich auch eine gute Ausgangsposition, endlich im dritten Anlauf das rote Rathaus von Nürnberg stürmen zu können.
Der Nürnberger Bezirksparteitag offenbarte auch die tiefe Kluft zwischen CSU-Landesgruppe in Bonn und der bayerischen Landtagsfraktion. Während MdB Renate Blank nur Buh-Rufe erntete, als sie sich für Waigel und eine „Aktivierung der Mitte“ aussprach, erhielten die Fürsprecher für Stoiber aus der Landtagsfraktion lautstarken Beifall. Die Landtagsfraktion hatte sich zuvor eindeutig für Stoiber und gegen jegliche Einflußnahme aus Bonn ausgesprochen. Die Mahnung der Bonner Landesgruppe, die Münchner Fraktion betreibe letztendlich eine „Demontage des Parteivorsitzenden“ verhallte ungehört. Auch die von Waigel bei seinem Geheimtreffen mit Stoiber am Freitag in Augsburg ausgesprochene Drohung, er werde sich von allen Ämtern zurückziehen, zeigte keinerlei Wirkung.
Heute werden Waigel und Stoiber bei einem Gipfeltreffen von CSU-Präsidium, den Bezirksvorsitzenden und der Fraktionsspitze für ihre Position werben. Stoiber glaubt nicht, daß die Kandidatenfrage für den Ministerpräsidentensessel in der nagelneuen Staatskanzlei die Partei spalten werde. Für ihn ist die Sache bereits entschieden: „Es gibt keinen Machtkampf in Bayern.“
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