Geheimdienst als Existenzvernichter

■ Gericht verurteilt Verfassungsschutz wegen Information an den Arbeitgeber

Köln (taz) – Nur durch einen Stuhl voneinander getrennt sitzen sie vor dem Richtertisch im Verwaltungsgericht Köln: Der wie ein ambitionierter Jungmanager gekleidete Herr K. vom Bundesamt vor Verfassungsschutz (BfV) und die Klägerin, die 32jährige Tatjana W. aus Frankfurt/Main. „Wie eine Giftspinne mit Terroristen zum Freund“ fühlte sich die ehemalige Pressereferentin von ihren KollegInnen behandelt, nachdem ein Verfassungsschützer ihrem Betrieb drei Besuche abgestattet hatte. Bei seinen Gesprächen mit dem Personalchef einer Anlagenbau-Firma hatte der BfV-Mitarbeiter 1990 und 1991 berichtet, Tatjana W. habe „intensive, möglicherweise aber nur ,soziale‘ Kontakte zum Umfeld der Roten Armee Fraktion (RAF)“. In einer Feststellungsklage will sich Tatjana W. von den Kölner RichterInnen attestieren lassen, daß der Geheimdienst rechtswidrig diese Informationen an ihren Arbeitgeber weitergegeben hat.

Die mysteriösen Bekanntschaften zum RAF-Umfeld sehen aus ihrer Sicht so aus: „Ich habe mit Leuten Urlaub gemacht und zusammen gewohnt, die wegen RAF-Mitgliedschaft rechtskräftig verurteilt worden waren.“ Das Lachen des BfV-Mitarbeiters vor Gericht klingt schadenfroh, als Tatjana W. vom Besuch eines gewissen Herrn G. vom „Bundesinnenministerium“ berichtet. „Das ist gar nicht witzig, wenn einer in der Firma auftaucht und den Job kaputtmacht“, greift die 32jährige den ständig smart lächelnden Verfassungsschützer an. Keineswegs über einen Auftrag der Anlagenbau-Firma wollte der Herr vom „Innenministerium“ mit ihr reden. Bei einer Tasse Kaffee im Konferenzzimmer entpuppte er sich schnell als Mitarbeiter des Verfassungsschutzes. Er wolle mit ihr über ihre Bekannten reden, „die nicht mit beiden Füßen auf unserem Grundgesetz stehen“. Die Pressereferentin und Betriebsrätin brach daraufhin das Gespräch ab. Daraufhin habe Herr G. gedroht: „Es wird der Firma nicht gleichgültig sein, ob sie eine junge Frau mit Kontakt zum RAF-Umfeld beschäftigt hat.“ Erpresserische Methoden und ein abgekartetes Spiel werfen Rechtsanwalt Marco Bruns und seine Mandantin dem BfV vor. Tatjana W. hätte die Wahl gehabt: entweder Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst – dabei hätte sie vielleicht ihre Freunde bespitzeln und ausspionieren müssen – oder sie weigerte sich, und das „sollte ihr leid tun“, wie sich der BfV-Mitarbeiter G. nach ihren Worten ausgedrückt hatte.

Arbeitslos ist die ehemalige Pressereferentin, seitdem sie selbst nach dem Gespräch am 27. Februar gekündigt hatte. Die Kündigung war ihr nahegelegt worden: „Egal, was Sie tun – dies ist Ihr letzter Arbeitstag bei uns.“ Ob sie vom Verfassungsschutz angeworben werden sollte, kann das Gericht nicht klären. Im Mittelpunkt der Verhandlung steht die Frage: Hat das BfV Maßnahmen angewendet, die den größtmöglichen Schutz der Persönlichkeitsrechte der 32jährigen garantiert haben? Dazu ist der Geheimdienst laut Gesetz verpflichtet. Erfahrungsgemäß sei bei diesen Umständen der Arbeitsplatz nicht gefährdet, rechtfertigt der BfV-Mitarbeiter vor Gericht die Besuche beim Arbeitgeber.

Daraufhin richtet Richter Pentzlin deutliche Worte an die Adresse des Verfassungsschützers: „Wenn ich eine Würstchenbude habe, dann sind die Informationen vom RAF-Umfeld vielleicht nicht so bedeutend. Machen Sie sich bewußt, daß die Klägerin als Pressereferentin bei einer Anlagenbau- Firma tätig war.“ Um dem BfV- Mitarbeiter klar zu machen, daß das Feld von möglichen Kontaktversuchen mit der Pressereferentin „längst nicht abgegrast war“, kramt Richter Oehmke seine Erinnerungen an die Lektüre von Spionagethrillern hervor: „In jedem halbwegs vernünftigen Roman von Le Carré oder so, lese ich, daß ein Agent in einer dunklen Bar oder Kneipe seinen Mann kontaktieren kann. Da geht man doch nicht zum Arbeitgeber.“ Rechtswidrig habe der gewisse Herr G. die Information von „Kontakten zum RAF- Umfeld“ an die Firma weitergegeben, lautet folgerichtig der Richterspruch am Freitag abend. Viel kaufen kann sich Tatjana W. mit diesem Richterspruch nicht: Die Frist für eine Schadenersatzklage ist abgelaufen. „Gewisse Genugtuung und ein beträchtlicher Karriereknick“ – das ist ein mageres Ergebnis für Tatjana W. Markus Grabitz