Brandstiftung am Anhalter Bahnhof

■ Polizei geht davon aus, daß der Großbrand vorsätzliche gelegt worden ist / Umweltstaatssekretär Wicke: Keine Gefährdung für die Bevölkerung / Bündnis 90/Grüne kritisiert fehlende Sicherheitsvorkehrungen

Berlin. Die Polizei geht mittlerweile davon aus, daß der Brand auf dem 50.000 Quadratmeter großen Anhalter Güterbahnhof in Kreuzberg am vergangenen Freitag vorsätzlich gelegt worden ist. Möglicherweise hätten spielende Kinder Reifen oder Autowracks angezündet. Tatverdächtige gebe es allerdings noch nicht, so eine Polizeisprecherin gestern.

Weil die Thermik bei dem Brand so günstig gewesen sei, habe es zu keiner Zeit akute Gefährdungen für die Bevölkerung gegeben. So versuchte Umweltstaatssekretär Lutz Wicke (CDU) gestern Presseberichten entgegenzutreten, denen zufolge krebserregende Stoffe bei dem Brand entstanden seien. „Die Brandentwicklung war so vorteilhaft, daß mögliche Gifte sehr weit nach oben getragen wurden.“ Der Verteil- beziehungsweise Vermischungsprozeß habe die Feuerwehr vor Ort von Vorsichtsmaßnahmen, wie zum Beispiel die Warnung der Anwohner über Rundfunk oder Lautsprecherwagen, absehen lassen.

Landesbranddirektor Albrecht Brömme erklärte, daß man aufgrund von Erfahrungswerten abschätzen konnte, wie groß das Gefahrenpotential gewesen sei. Noch in der Nacht nahm die Feuerwehr erste Rauchproben, die jetzt in einem Speziallabor in Hamburg untersucht werden. Da die Analyse von Dioxinen so aufwendig sei, könne man mit Ergebnissen frühestens 60 Stunden nach Entnahme der Proben rechnen. Allerdings ist sich Wicke sicher, daß eine Gefährdung zu fast 100 Prozent auszuschließen ist.

Gerade diese beiden Punkte sind es jedoch, die den umweltpolitischen Sprecher von Bündnis 90/ Grüne im Abgeordnetenhaus, Bernd Köppl, aufregen. Wenn man auf so einen Brand, bei dem Lacke, Altöle, Autoreifen und PCB-getränkte Eisenbahnschwellen verbrannten, vorbereitet gewesen wäre, hätten sehr viel schneller – innerhalb von 24 Stunden – Dioxin-Analysen durchgeführt werden können, so Köppl. Tatsächlich mußte Wicke zugeben, daß es keinen Katastrophenplan für einen solchen Fall gebe. Köppls Kritik richtet sich weiterhin dagegen, daß man sich in der Umweltverwaltung, obwohl keine genauen Meßergebnisse zu den Konzentrationen von Dioxin vorliegen, nicht zu präventiven Maßnahmen habe durchringen können. „Die müssen doch zumindest die Kinderspielplätze schließen.“ Gerade die Kinder seien eine gefährdete Gruppe, da sie oft Dinge von der Erde in den Mund stecken würden. Außerdem stimme die These von der Verteilung der Gifte in der Luft nicht, da es in der Nacht stark regnete und sich somit vermutlich entstandene Gifte in die Umgebung niedergeschlagen hätten. jwe