Hat die Gewerkschaft Moral?

■ Dürfen Gewerkschafter spekulieren? Metaller zur Affäre Steinkühler

Hat die Gewerkschaft Moral?

Dürfen Gewerkschafter spekulieren? Metaller zur Affäre Steinkühler

Die Moraldebatte erwischt derzeit nicht nur eine Partei nach der anderen: Der Skandal um die Millionenspekulation des IG-Metall- Vorsitzenden Franz Steinkühler — Inbegriff derer, die für die Stahlarbeiter im Osten für ein paar Mark mehr für die Butter auf dem Brot kämpfen — wirft auch in den Gewerkschaften die Frage nach Takt auf. Unabhängig von der Frage, ob illegale Verwendung von internem Wissen mit im Spiel ist. Wir fragten Bremer Metall-Gewerkschafter nach ihrer Meinung dazu — und ob Steinkühler den Hut nehmen sollte.

Dieter Reinken, 2. Bevollmächtigter der IG Metall Bremen: Ich würde nicht als Gewerkschafter mit meinen Geldern spekulieren, das ist meine ganz persönliche Meinung. Zuerst muß die Sache vor dem Hintergrund geklärt werden: Ist das Verfahren strafwürdig oder nicht. Die zweite Frage, ob das an die Substanz der Organisation gehen wird und personelle Konsequenzen erwartet werden, wird sicher einer längeren Diskussion vorbehalten bleiben. Da habe ich noch keine abschließende Meinung zu und will das auch nicht herausposaunen. Eine Moraldebatte habe ich bisher eigentlich für nicht nötig gehalten; es ist aber durchaus möglich, daß wir sie jetzt etwas mehr führen müssen. Für so brennend halte ich das allerdings nicht —wir haben jetzt den Fall Steinkühler, und was noch?

Bei den Stahlarbeitern im Osten wird das natürlich nicht gut ankommen. Ich gehe davon aus, daß das Vertrauen in die Gewerkschaft dadurch nicht gestärkt wird. Das wird aber Frage der internen Verarbeitung sein. Aber es waren ja auch nicht die Metaller vor Ort, die das Vertrauen angeknackst haben.

Eike Hemmer, Klöckner- Betriebsrat: Ich halte diese Sache für sehr, sehr schlimm. Und ich denke, daß wir in den Gewerkschaften eine an die Grundsätze gehende Diskussion führen müssen. Das Problem ist nicht, daß jemand so eine Chance ausnutzt, sondern die Entfernung der Arbeitnehmer von einem Milieu, in dem es offensichtlich auch der Gewerkschaft möglich oder sogar selbstverständlich ist, so etwas zu tun. Doch wohin führt eine Moraldebatte? Jetzt werden ständig Enthüllungen gemacht — die Meinung weitet sich aus, daß egal, welche Position jemand hat, das politische Establishment scheinbar Maßstäbe für Moral verloren hat. Doch welche Schlußfolgerung zieht man daraus? Wo steckt die Reformalternative? Da habe ich Angst, daß unsere Gewerkschaft, die nach meiner Ansicht zur Zeit im Lande die einzige große Organisation ist, die sich für die ArbeitnehmerInnen sichtbar einsetzt, in die Diskussion „Alle stecken mit im Sumpf“ einbezogen wird. Und wem bahnt das den Weg...

Bevor jetzt alle möglichen weiteren Schubladen geöffnet werden, könnte es besser sein, dem ein Ende zu setzen, indem Franz Steinkühler eventuell zurücktritt. skai

Dieter Reinken sitzt übrigens sowohl im Klöckner- als auch im Vulkan-Aufsichtsrat. Aktien besitzt er nicht. Eike Hemmer ist nicht im Aufsichtsrat, aber im Besitz von drei Firmen-Aktien — „aber mit Klöckner-Aktien zu spekulieren, würde zur Zeit nicht von hoher Intelligenz zeugen.“