"...gezielt Frauen gesucht"

■ Vier Jahre Haft für CS-Gas-Überfälle am Geldautomaten Vor dem Steintor

„... gezielt Frauen gesucht“

Vier Jahre Haft für CS-Gas-Überfälle am Geldautomaten Vor dem Steintor

Mehrere Überfälle am Sparkassen-Geldautomaten Vor dem Steintor sorgten im Januar für Aufregung: Dreimal hatte ein Täter Frauen am Automaten aufgelauert, ihnen aus unmittelbarer Nähe CS- Gas ins Gesicht gesprüht und war mit dem Geld geflüchtet. Gestern wurde der 27jährige Drogenabhängige Jens P. vor dem Landgericht zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt — wegen schweren Raubes und schwerer Körperverletzung.

Zwischen dem 13. und dem 28. Januar waren immer wieder Frauen die Opfer: Das erste Mal war Jens P., seit zwei bis drei Jahren heroinsüchtig,„blank, und da kam der Affe durch“. Und so stand er gegenüber der Sparkasse, „und dann sieht man Leute, die da einfach Geld ziehen“.

Mit einer Tränengasflasche — die er sich zum Schutz gegen Dealer zugelegt habe — stellte sich Jens P. um 22 Uhr hinter einer Frau auf, die gerade 400 Mark abheben wollte. Als der Automat die Scheckkarte ausspuckte, sprühte er ihr das CS- Gas mitten ins Gesicht, griff sich das Geld und lief davon. Mit seiner Schwester teilte er sich das Geld und kaufte davon Stoff.

Beim zweiten Mal war es 19.15 Uhr, das Opfer nicht allein auf der Straße, rief noch „Haltet ihn fest“ — niemand griff ein. Beim dritten Mal, diesmal um 18 Uhr an einem langen Donnerstag, stieß Jens P. auf Gegenwehr: Bevor die Gasladung der Frau ins Gesicht schoß, konnte sie nach dem Geld greifen und hielt es vehement fest. Einen Tag später wechselte er den Tatort. Mit seiner Schwester zusammen klaute er ein unverschlossenes Auto und fuhr nach Sebaldsbrück - dort überfiel er abermals eine Frau am Geldautomaten, erbeutete 200 Mark. Tatzeit: 14 Uhr.

Das Opfer konnte bei der Flucht das Autokennzeichen erkennen; als die beiden Junkies auf dem Weg ins Steintor waren, um sich Stoff zu besorgen, fielen sie der Polizei bereits auf und wurden sofort festgenommen. Als Jens P. einen Tag später im Landgerichtsgebäude vorgeführt wurde, gelang ihm per Fenstersprung die Flucht; eine Woche lang konnte er sich versteckt halten.

Er habe sich die Frauen „wahrscheinlich“ schon gezielt ausgesucht: „Ich hatte wohl Angst vor dem stärkeren Geschlecht“, so Jens P.. „Ich habe wochenlang Angst gehabt, abends durchs Viertel zu gehen“, sagen die Opfer; „Ich habe mich im Viertel immer sicher gefühlt, aber seit dem Tag habe ich ein anderes Gefühl.“ Eine Frau wird nun aus dem Viertel wegziehen. Und: Eine der Frauen kam gerade von einer Veranstaltung zum Thema „Gewalt gegen Frauen“.

„Das Besondere an diesem Fall ist, daß gezielt Frauen überfallen worden sind und eine Waffe in sehr gefährlicher Weise eingesetzt wurde“, befand Richter Crome in seinem Urteilsspruch. „Jeder Bankangestellte muß mit einem Banküberfall rechnen; es ist aber sehr fraglich, ob auch jede Frau mit einem solchen Überfall rechnen muß.“

Staatsanwalt Würtz forderte in seinem Plädoyersechs Jahre Haft — als Mittel der Generalprävention.Daß mit abschreckend harten Urteilen die Junkies nun gar nicht beeindruckt werden können - Richter Crome: „Die lesen wahrscheinlich gar keine Zeitung“ —, darin waren sich Richter und Verteidiger aber einig. Doch auch wenn der Angeklagte aus tragischen Familienverhältnissen kommt — die Mutter war Alkoholikerin, alle drei Kinder sind drogensüchtig — so sehr heruntergekommen sei Jens P. noch nicht gewesen, daß er nicht mehr gewußt habe, wie er sich anders hätte helfen können, so der Richter.

skai