Bachianer oder Bachanten?

■ Das hochgradige Bachfest kommt im September nach Bremen oder: Bis zu welchem Jahrhundert zahlen Sponsoren?

Rolf Sauerbier ist ein guter Bremer, und wir können stolz auf ihn sein. Damit er sich nicht dauernd für Bremen schämen muß, ist Rolf Sauerbier auf die Idee gekommen, seinen Standort — und damit netterweise auch unseren — einfach attraktiver zu machen. Endlich kommt mal einer drauf!

Im Herbst also wird unser Standort dank Herrn Sauerbier derartig attraktiv, daß wir gar nicht mehr wissen, wohin vor Stolz mit unserem Brementum! Und Milka über Milka zu Ehren von Herrn Sauerbier essen müssen! Herr Sauerbier ist nämlich Public Relations-Direktor bei Jacobs Suchard und hat ein goldenes Herz für Kultur; und darum kann das 68. Bachfest an unserm Standort stattfinden!

Was heißt Bachfest: das international hoch angesehene und irre berühmte Bachfest der Neuen Bachgesellschaft Leipzig! Große Teile der weltweit über 3000 Mitglieder zählenden Bachianer oder Bachanten werden Bremen, unseren kleinen Standort, besuchen! Und sich hier aufhalten! Vom 25.9.-3.10.! Alles wegen Rolf Sauerbier! Nicht nur, weil Bach auch mit JS anfängt wie seine Firma, sondern weil Bach einfach zur Jacobs-Linie paßt. Vorher hat dann schon einen Monat lang das Musikfest Bremen getobt! Ja, Kultur boomt, wenn man sie bloß läßt!

Gestern warf das wahnsinnig berühmte Bachfest schon mal seine Schatten voraus und bis in den Presseclub, wo über jeden Zweifel erhabene Herren von der Bach-Gesellschaft Bremen und von der Programmkommission saßen. Und eben auch Herr Sauerbier — ein Mäzen von protestantischem Schrot und Korn, der sein Engagement als selbstverständliche Wohltat interpretiert. Nebenher paßt Bach'scher Kunstgenuß natürlich doch ganz gut zum Produkt: wegen der Verwöhn-und-Genuß-Mentalität des Hauses Jacobs Suchard. Bloß das Wort Sponsor macht ihm Verdruß, und darum haben wir auch Mäzen geschrieben. Sponsor klingt einfach zu sehr nach lila Kuh, und die kommt, heiliges Ehrenwort, nicht vor. Auch hat er extra keine Schokoladentäfelchen dabeigehabt, was wir von der gehässigen Presse schon wieder nicht so schlimm gefunden hätten. Auf die Inhalte hat er auch keinen Einfluß genommen, oder hat jemand irgendwo „Kaffeekantate“ gelesen? Na also.

Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Bremen hat dazubezahlt. Zehn Prozent von etwa einer Million Gesamt-Etat. Interessanterweise nicht nur die Kultursenatorin, sondern plötzlich auch der Wirtschaftssenator. Vermutlich wegen Bach. Über das Programm des Bachfests hat eine Kommission unter Alte- Musik-Professor Thomas Albert, ja, der einschlägige Leiter des Musikfests, kompetent befunden, will dem geneigten Publiko Bach "spurenweise" näherbringen und auch das innerkirchliche Kantatenwesen nicht vernachlässigen.

Das wird also einen heißen Herbst geben hier bei uns am Standort. Hoffentlich stören wir nicht zu sehr. Claudia Kohlhase